Bezahlte Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder im öffentlichen Dienst, BAG 05.08.2014 — 9 AZR 878/12

Im öffentlichen Dienst können Beschäftigte, die privat krankenversichert sind, bei einer schweren Erkrankung ihres Kindes bis zu vier Tage im Kalenderjahr freigestellt werden. Erkrankt ein weiteres Kind schwer, ist der Beschäftigte berechtigt, lediglich einen weiteren Tag bezahlte Freistellung zu verlangen.

Die bei der Beklagten unter einzelvertraglich vereinbarter Anwendung der Regelungen des TVöD auf den Arbeitsvertrag angestellte und nicht gesetzlich krankenversicherte Klägerin wurde im April 2010 wegen einer Erkrankung ihres Sohnes, der das zwölfte Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, vier Tage unter Fortzahlung des Entgeltes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 e) bb) i.V.m. Satz 2 TVöD von der Arbeit befreit. Als die ebenfalls noch nicht zwölfjährige Tochter der Klägerin im Mai 2010 erkrankte, stellte die Beklagte die Klägerin auf Antrag zwar abermals frei, lehnte die Fortzahlung des Entgeltes jedoch ab. Der Anspruch aus § 29 Abs. 1 Satz 1 e) bb) i.V.m. Satz 2 TVöD sei auf die Freistellung unter Entgeltfortzahlung für vier Tage begrenzt. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass sich eine nur einmalige (also für ein Kind) Erfüllbarkeit des Anspruchs weder dem Wortlaut, noch der Systematik dieser Norm entnehmen lasse. Vielmehr spreche die Höchstgrenzenregelung des § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD auf eine mögliche Freistellung von insgesamt 5 Tagen im Jahr für das Gegenteil.

Das BAG hat hierzu klargestellt, dass bei einer schweren Erkrankung eines Kindes unter zwölf Jahren der Anspruch auf bezahlte Freistellung auf vier Tage begrenzt ist, für die Freistellung bei der Erkrankung eines weiteren Kindes jedoch die Höchstgrenze von 5 Tagen pro Jahr maßgeblich ist und somit der Klägerin Recht gegeben.

Befindet man sich nicht im Geltungsbereich des TVöD und ist der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert, ist für die Frage der bezahlten Freistellung bei Erkrankung des Kindes bis zur Altersgrenze der Vollendung des zwölften Lebensjahres § 45 SGB V, nach Vollendung des zwölften Lebensjahres § 616 BGB maßgeblich. Diese enthalten einen persönlichen Leistungshinderungsgrund für die Eltern, der zusätzlich zum Vorliegen der jeweiligen weiteren Voraussetzungen zum Anspruch auf bezahlte Freistellung führt. Sind beide Eltern erwerbstätig, obliegt die Entscheidung welches der Elternteile sich zu Hause um die Pflege des kranken Kindes kümmert ihnen selbst. Ist nur eines der Elternteile erwerbstätig, muss der andere die Pflege übernehmen. Eine Höchstdauer der Freistellung ist in § 45 Abs. 2 SGB V vorgesehen. Bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres besteht ein Anspruch auf Freistellung für längstens 10 Arbeitstage pro Jahr und pro Kind, bei Alleinerziehenden für sogar 20 Arbeitstage. Die Höchstgrenze bei der Erkrankung mehrerer Kinder liegt bei 25 Arbeitstagen pro Jahr, für Alleinerziehende bei 50. Im Gegensatz zu § 45 SGB V, ist § 616 BGB arbeitsvertraglich abdingbar, sodass sich der Arbeitgeber vom Risiko der entgeltpflichtigen Freistellung befreien kann.

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