Zugangsvereitelung bei Ankündigung eines Kündigungsschreibens, BAG 26.03.2015 – 2 AZR 483/14

Verhindert ein Arbeitnehmer den Zugang einer Kündigung, so muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits beim Übermittlungsversuch zugegangen. Wenn der Arbeitnehmer durch Äußerungen des Arbeitgebers und den Umständen damit rechnen musste, dass ihm eine Kündigung am Nachmittag durch Einwurf in den Briefkasten zugehen wird, so gilt eine Kündigung noch am Nachmittag desselben Tages als zugegangen.

Die Parteien streiten über den Zugangszeitpunkt einer mit Schreiben vom 22.10.2012 ausgesprochenen Kündigung. Am 22.10.2012 fand zwischen den Parteien ein Gespräch im Betrieb statt, in welchem der Ausspruch einer Kündigung angekündigt und der Klägerin das Kündigungsschreiben gezeigt wurde. Zwischen den Parteien blieb streitig, ob das Kündigungsschreiben bereits am 22.10.2012 oder erst am 23.10.2015 in den Briefkasten der Klägerin geworfen wurde. Die Klägerin fand das Kündigungsschreiben am 24.10.2015 in ihrem Briefkasten vor. Die Klägerin wehrte sich mit einer am 14.11.2012 erhobenen Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochene Kündigung.

Das Arbeitsgericht 1. Instanz hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt. Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurück. Das Bundesarbeitsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die streitgegenständliche Kündigung bereits mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme im Gesprächstermin am 22.10.2015 zugegangen sein kann. Auch wenn die Klägerin das Kündigungsschreiben nicht mitgenommen habe, muss sich ein Empfänger, der durch eigenes Verhalten den Zugang verhindert, so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen. Ferner ist es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht ausgeschlossen, dass die Kündigung der Klägerin bereits am 22.10.2012 oder am 23.10.2012 durch Einwurf in den Briefkasten zuging. Bei Einwurf in einen Briefkasten ist der Zugang bewirkt, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme zu rechnen ist. Hierbei kommt es nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers an. Grundsätzlich gilt ein Kündigungsschreiben erst am Folgetag als zugegangen, wenn dieses ohne Wissen des Adressaten erst nach den üblichen Postzustellzeiten in den Briefkasten eingeworfen wird. Da jedoch die Kündigung und deren Zustellung durch Einwurf in den Briefkasten um 17 Uhr angekündigt wurden, ist mit der Kenntnisnahme des Schreibens noch am selben Tag zu rechnen. Der Zugang der Kündigung wurde damit noch am selben Tag bewirkt. Sollten sich diese Tatsachen nach neuer Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht bestätigen, wäre die von der Klägerin am 14.11.2015 erhobene Kündigungsschutzklage verspätet und die Kündigung damit wirksam gem. §§ 4, 7 KSchG.

Ungeachtet der zutreffenden Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur Zugangsvereitelung und der Möglichkeit der Zugangsbewirkung durch Einwurf in den Briefkasten am Nachmittag nach entsprechender Ankündigung, geht das Bundesarbeitsgericht in seinen Ausführungen nach wie vor davon aus, dass eine Kündigung, die nach den üblichen Postzustellzeiten eingeworfen wird, erst am darauffolgenden Tag zugeht. Angesichts der veränderten Zustellzeiten bis in den späten Nachmittag durch eine Vielzahl von vorhandenen Zustellunternehmen neben der Deutschen Post sollte man diese Rechtsprechung überdenken. Die Annahme, die üblichen Zustellzeiten lägen vor 10 Uhr morgens, ist überholt.

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