Grundlegend neue leistungsrechtliche Regelungen zu den Unterkunftskosten nach dem BTHG

künftige Unterscheidung zwischen Wohngruppen und Wohnungen

Aktuelles Vergütungssystem für stationäre/ambulante Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Derzeit richtet sich die Vergütung für stationäre und ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe noch nach den mit den Sozialhilfeträgern geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen (§§ 75 ff SGB XII). Die Überlassung von Wohnraum an den Klienten wird regelmäßig über die vereinbarte Grundpauschale und den Investitionsbetrag vergütet und die Fachleistungen werden über die Maßnahmepauschale vergütet (vgl. § 76 Abs. 2 S. 1 SGB XII).

Grundlegende Reformierung des Leistungssystems Eingliederungshilfe

Zum 01.01.2020 tritt die letzte Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft, mit der die bislang im Kapitel 6 SGB XII geregelte Eingliederungshilfe dann vollständig in das SGB IX Teil 2 integriert und grundlegend reformiert wird. Spätestens zum 01.01.2020 werden auch die noch auf Grundlage der alten Rechtslage geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen auslaufen. Eine grundlegende Neuerung wird die vollständige rechtliche Abtrennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt sein. Die leistungsrechtliche Kategorie der „(teil-)stationären Leistung bzw. Einrichtung“, die als wesentliches Merkmal eine umfassende Trägerverantwortung für (nahezu) alle Lebensbereiche des Klienten beinhaltet, wird damit zumindest im Bereich der Eingliederungshilfe endgültig aufgegeben werden . Die auf Grundlage des neuen Rechts mit den Kostenträgern geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen werden daher keine Grundpauschalen und Investitionsbeträge für Unterkunft und Verpflegung mehr enthalten, sondern lediglich Pauschalen für die Fachleistungen. Diese Fachleistungspauschalen werden weitgehend das Äquivalent zu den heutigen Maßnahmepauschalen darstellen, auch wenn sie aufgrund der neuen Regelungen sehr viel ausdifferenzierter sein werden. Die Kosten für Unterkunft, Heizung und Verpflegung hingegen werden bei leistungsberechtigten Klienten künftig über die allgemeine sozialhilferechtliche Grundsicherung von den Sozialhilfeträgern übernommen. Eine wesentliche Folge wird sein, dass die Einrichtungen und Leistungserbringer künftig keine vertraglichen Vereinbarungen mehr über die Höhe dieser Kosten mit den Kostenträgern treffen können. Das System der sozialhilferechtlichen Grundsicherung sieht solche Vereinbarungen schlicht nicht vor, sondern übernimmt stets nur im Einzelfall die Kosten eines leistungsberechtigten Klienten, die nach den sozialrechtlichen Maßstäben angemessen sind.

Sonderregelungen der Grundsicherung für die Unterkunftskosten von Wohnungen und Wohngruppen nach § 42a SGB XII nF (ab 01.01.2020)

Die Grundsicherungsvorschriften des SGB XII zu den Unterkunftskosten werden mit Blick auf die Reform des Eingliederungshilferechts ebenfalls zum 01.01.2020 angepasst. Die zentrale Vorschrift für die Unterkunftskosten von Menschen, die in Wohnungen oder Wohngruppen von Leistungserbringern leben, wird § 42a SGB XII nF sein. Leistungsberechtigt nach § 42a SGB XII nF sind zum einen ältere Menschen und zum anderen voll erwerbsgeminderte Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten können. Hierzu zählen insbesondere Menschen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder ähnlichen Einrichtungen beschäftigt sind oder Menschen, die aufgrund Ihrer Behinderung gar keine Arbeitsleistung erbringen können. § 42a SGB XII nF enthält grundlegende Regelungen zur Angemessenheit der Unterkunftskosten und unterscheidet dabei zwischen den Wohnformen Wohnen mit der Familie, in Wohngemeinschaften und in Wohngruppen. In Wohngruppen richtet sich die Höhe der sozialhilferechtlich anerkannten Unterkunftskosten u. a. nach folgenden Kriterien:
  • Angemessenheitsmaßstab: Einpersonenhaushalt im Herkunftslandkreis
  • Einzelzimmer oder Doppelzimmer
  • Fläche der anteilig genutzten Gemeinschaftsräume
  • möbliert oder nicht möbliert
  • u. U. bis zu 25 % Überschreitung bei bestimmten Regelungen im Wohnraumüberlassungsvertrag
  • Überschreitungen von mehr als 25 % können nach § 77 SGB IX iVm § 42a Abs. 6 S. 2 SGB XII erstattet werden, wenn diese auf einem gesteigerten Wohnraumbedarf infolge von notwendigen Assistenzleistungen beruhen.
In Wohnungen richtet sich die Höhe der sozialhilferechtlich anerkannten Unterkunftskosten u. a. nach folgenden Kriterien:
  • Angemessenheitsmaßstab bei einem Mietvertrag mit einer Wohngemeinschaft: Mehrpersonenhaushalt
  • Angemessenheitsmaßstab bei einem Einzelmietvertrag über bestimmte Räume in einer Wohnung: Einpersonenhaushalt
  • Bei Übersteigen der angemessenen Kosten: höhere Kosten werden für max. 6 Monate übernommen wenn Umzug unzumutbar
  • Fraglich: werden höhere Unterkunftskosten auch bei Wohnungen nach § 77 SGB IX erstattet? § 42a Abs. 6 S. 2 SGB XII verweist lediglich bei Wohngruppen bei einer Kostenüberschreitung von mehr als 25 % auf die Eingliederungshilfe in Teil 2 SGB IX.

Fazit

Die aufgrund der vertraglich festgelegten Investitionsbeträge und Grundpauschalen heute noch gegebene Planungssicherheit der Leistungserbringer wird zusammen mit dem leistungsrechtlichen Status der „(teil-)stationären Einrichtung“ ab dem 01.01.2020 endgültig wegfallen. Die Leistungserbringer werden daher gezwungen sein, bereits im Voraus auskömmliche Entgelte für Miete und Verpflegung zu kalkulieren und müssen hoffen, dass diese Entgelte auch angemessen im Sinne des Sozialhilferechts sein werden. Zur Vorbereitung auf diese wesentliche Umstellung werden die Leistungserbringer bereits heute grundlegende strategische Überlegungen und Weichenstellungen insbesondere im Hinblick auf Ihre künftigen Wohnangebote (Wohnung, Wohngruppe oder gar kein Wohnangebot? Vertragliche Gestaltung?) vornehmen müssen.
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