Die Bedeutung der Ausschlagung der Erbschaft für Versicherungsansprüche BGH, Beschluss vom 23.07.2025 - XII ZA 16/25

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 23.07.2025 klargestellt, dass die Ausschlagung einer Erbschaft das Bezugsrecht aus einer Unfallversicherung nicht zu Fall bringt. Dieser Beschluss ist von erheblicher Bedeutung für alle, die eine Erbschaft aus bestimmten Gründen (z.B. Überschuldung des Nachlasses) ablehnen, aber dennoch Ansprüche aus Lebens- oder Unfallversicherungen geltend machen möchten.

Der Sachverhalt: Ausschlagung der Erbschaft und gesetzliche Erben als Bezugsberechtigte

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten alle bekannten gesetzlichen Erben, darunter die Kinder des Verstorbenen, die Erbschaft ausgeschlagen, da der Nachlass überschuldet war.

Der Erblasser hatte als Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung als Bezugsberechtigte seine „gesetzlichen Erben" benannt.

Der Nachlasspfleger, der zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses eingesetzt wurde, hatte die Auszahlung der Leistung der Unfallversicherung des Verstorbenen für den Nachlass geltend gemacht.

Die Versicherung weigerte sich, die Versicherungssumme an den Nachlasspfleger auszuzahlen. Der Nachlasspfleger beantragte daraufhin die Einrichtung einer Pflegschaft für „unbekannte Beteiligte", um den Anspruch auf die Versicherungsleistung in den Nachlass zu ziehen. Die Gerichte der Vorinstanzen lehnten diesen Antrag ab.

Die Entscheidung des BGH: Erbe und Versicherungsanspruch sind getrennt

Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Rechtsbeschwerde des Nachlasspflegers zurück.

Begründet wurde die Entscheidung damit, dass es in diesem Fall keine "unbekannten Beteiligten" gebe, da die Bezugsberechtigten bekannt seien und die Pflegschaft somit nicht notwendig sei.

Das Bezugsrecht aus der Unfallversicherung ist ein eigenständiger Anspruch und fällt nicht in den Nachlass. Entscheidend ist hier § 160 Abs. 2 S. 2 VVG (Versicherungsvertragsgesetz), der klarstellt, dass eine Ausschlagung der Erbschaft keinen Einfluss auf die Berechtigung aus dem Versicherungsvertrag hat.

Infolgedessen waren die Kinder des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes die gesetzlichen Erben und somit die Bezugsberechtigten der Versicherung. Dieses Recht haben sie mit Eintritt des Versicherungsfalls erworben und behalten es auch, wenn sie die Erbschaft später ausschlagen.

Anmerkung

Der Beschluss stärkt die Rechte der Bezugsberechtigten von Versicherungsleistungen. Er bestätigt, dass Erbschaft und Versicherungsanspruch rechtlich getrennte Angelegenheiten sind. Wer eine Erbschaft ausschlägt, um z.B. die Haftung für Verbindlichkeiten des Erblassers zu vermeiden, muss nicht befürchten, dass damit auch das Recht auf eine vertraglich vereinbarte Leistung aus einer Lebens- oder Unfallversicherung verloren geht.  

Die Regelung des § 160 Abs. 2 S. 2 VVG steht damit im Widerspruch zum erbrechtlichen Grundsatz des § 1953 BGB, wonach die Erbausschlagung bewirkt, dass die Erbschaft rückwirkend als nie angefallen gilt.

Die Bezugsberechtigten haben daher trotz Ausschlagung einen direkten Auszahlungsanspruch der Versicherungssumme gegen den Versicherer.

Date: 23. Oct 2025