Bauen – schneller, leichter, günstiger: Pläne für eine (weitere) Reform der Landesbauordnung Baden-Württemberg
Am 23.07.2024 hat das Landeskabinett seinen Entwurf zu einer weiteren Reform der Landesbauordnung beschlossen.
Das „Gesetz für das schnellere Bauen“ soll auf vier Säulen ruhen:- 1. Maßnahmen zur Optimierung und Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens
- 2. Abbau baulicher Standards
- 3. Stärkung der (unteren) Baurechtsbehörden und Verbesserung der Fachkräftesituation
- 4. Ausbau erneuerbarer Energien
Begleitet werden sollen die umfangreichen Änderungen in der LBO von Anpassungen in der LBOVVO, des AGVwGO sowie der Aufhebung der kompletten LBOAVO. Letztere soll in die LBO integriert werden.
Wichtigste Inhalte der geplanten Reform
Inhaltlich sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung folgende wichtigsten Änderungen vor: 1. Ausweitung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens und Einführung einer GenehmigungsfiktionFür die Errichtung etc. „einfacherer“ Bauvorhaben, stehen schon heute gem. § 51 LBO lediglich das Kenntnisgabeverfahren oder das vereinfachte Genehmigungsverfahren zur Verfügung. Wegen des reduzierten Prüfungs- und Beibringungsumfangs in beiden Verfahren, können diese regelmäßig schneller durchlaufen werden, als das „normale“ Baugenehmigungsverfahren. Zukünftig soll dieses „Optionsmodell“, beschränkt auf eine Wahl zwischen Kenntnisgabeverfahren und vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren, mit § 52 Abs. 1 LBO-E auf alle Bauvorhaben, insbesondere auch gewerbliche Vorhaben, ausgedehnt werden. Hiervon ausgenommen sollen Sonderbauten sein – für diese soll weiterhin das „normale“ Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen. Flankiert werden soll dies durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Wird ein im vereinfachten Verfahren gestellter Bauantrag von der Behörde nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist beschieden, soll die beantragte Genehmigung zukünftig als erteilt gelten. Nach „bescheidlosem“ Ablauf der Frist, besteht für Bauherren damit Planungssicherheit; Baubehörden können durch bewusstes Nutzen dieser Fiktionswirkung freiwerdendes Personal anderweitig einsetzen.
2. Wegfall des Widerspruchsverfahrens
Artikel 3
Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung
§ 15 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14. Oktober 2008 (GBl. S. 343, 356), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. April 2024 (GBl. 2024 Nr. 29) geändert worden ist, wird folgender Absatz 6 angefügt:
„(6) Eines Vorverfahrens bedarf es nicht in Angelegenheiten nach der Landesbauordnung und nach dem Denkmalschutzgesetz.“
Gesetz für das schnellere Bauen – Kabinettsentwurf vom 23.07.2024
Größtes Streitpotenzial der Reform dürfte der geplante Wegfall des Widerspruchsverfahrens haben.
Baden-Württemberg hat am verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren zur Überprüfung der behördlichen Ausgangsentscheidung bislang festgehalten. Bauherren und widerspruchsberechtigte Dritte können damit bei der bescheidenden Baubehörde die Überprüfung der Ausgangsentscheidung verlangen. Hilft diese dem Widerspruch nicht ab, entscheidet die höhere Baurechtsbehörde – eines der vier Regierungspräsidien – über den Widerspruch. Erst hiernach ist der Gang zum Verwaltungsgericht möglich. Mit diesem Vorverfahren soll, nach dem Willen der Landesregierung, zukünftig Schluss sein; das Widerspruchsverfahren in Baurechtssachen soll abgeschafft werden. Wie in der Mehrzahl der übrigen Bundesländer, soll zukünftig vielmehr direkt verwaltungsgerichtlich gegen eine Entscheidung der unteren Baurechtsbehörde vorgegangen werden können (und müssen). Hierdurch sollen bei den Widerspruchsbehörden Personalkapazitäten frei werden. Diese wiederrum sollen für die Beratung, Fortbildung und Unterstützung der unteren Baurechts- und Denkmalschutzbehörden eingesetzt werden.
3. Einführung einer Typengenehmigung
Mit der Reform der LBO soll zudem die Möglichkeit einer sogenannten „Typengenehmigung“ geschaffen werden. Damit soll die konkret festgelegte Ausführung einer baulichen Anlage (zeitlich befristet) einmalig genehmigt werden. Baugleiche Bauvorhaben (an anderen Standorten) könnten dann genehmigt werden, ohne, dass die von der Typengenehmigung erfassten Feststellungen nochmals gesondert geprüft würden. Das serielle Bauen gleichförmiger und gleich aufgebauter baulicher Anlagen, bspw. Ladestationen für Elektrofahrzeuge, soll damit beschleunigt und vereinfacht werden.
4. Erweiterung der Liste verfahrensfreier Vorhaben
Gemäß § 50 Abs. 1 LBO können die im Anhang der Landesbauordnung aufgeführten baulichen Vorhaben ohne jegliches Genehmigungsverfahren – verfahrensfrei – errichtet, geändert oder abgebrochen werden. Diese Liste soll mit der Reform erweitert werden. Aufgenommen werden sollen insbesondere Garagen, Terrassen und Brennstoffzellen sowie gewerbliche Ladestationen und deren Nebenanlagen.
5. Beschleunigung der Nachbarbeteiligung
Bislang können Nachbarn Einwendungen gegen Bauvorhaben gemäß § 55 Abs. 2 LBO binnen vier Wochen nach Zustellung oder sonstiger Bekanntgabe der Benachrichtigung über das Bauvorhaben vorbringen. Mit der geplanten Reform der LBO, soll diese Frist auf zwei Wochen verringert werden.
6. Bauen im Bestand
Nutzungsänderungen und Umbauten im Bestand sollen mit der geplanten Reform schneller, einfacher und kostengünstiger möglich werden.
Hier für sieht der Gesetzentwurf erstmalig eine Legaldefinition des „Bestandsschutzes“ vor – dessen Inhalt und Reichweite soll damit festgelegt werden.
Zudem sollen Nutzungsänderungen von Gebäuden im Bestand künftig nicht den –oftmals nur schwer oder nur kostenträchtig einzuhaltenden – aktuellen Vorschriften des Brandschutzes unterworfen sein.
Umbauten bestehender Gebäude sollen ebenfalls vereinfacht werden. Dies insbesondere, wenn hierdurch Wohnraum geschaffen wird. Abweichungen von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften sollen daher künftig auch für Nicht-Wohngebäude möglich sein, wenn durch den Umbau Wohnraum geschaffen wird. Erklärtes Ziel ist es, das Potential zur Schaffung von Wohnraum in Bestandsgebäuden aller Art maximal zu nutzen.
7. Vereinfachung beim Brandschutz
Flankiert werden diese Erleichterungen durch eine grundsätzliche Herabsenkung einzelner brandschutzrechtlicher Vorgaben. So sieht der Reformentwurf insbesondere Ausnahmen für den zweiten Rettungsweg und eine Herabsenkung des Erfordernisses einer Brandwand vor. Bauliche Erleichterungen sollen zukünftig zudem für notwendige Treppenräume gelten.
Schließlich sollen die (brandschutzrechtlichen) Vorschriften der LBOAVO komplett in die LBO eingebettet werden.
8. Abstandsflächen
Herabgesenkt werden sollen zudem die Anforderungen an Abstandsflächen. So soll zukünftig die öffentlich-rechtliche Sicherung nach § 5 Abs. 1 S. 3 LBO nicht nur dann nicht erforderlich sein, wenn nach einer festgesetzten, sondern auch wenn nach einer in der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Absatz ein S. 1 BauGB vorhandenen Bauweise an die Grenze gebaut werden darf.
Zudem soll die Berechnung der Giebelflächen einfacher und verständlicher geregelt werden; die anderweitige Nutzung von Dachflächen vorhandener privilegierter Grenzbauten soll nicht mehr dazu führen, dass diese nachträglich ihre Privilegierung verlieren.
9. Kinderspielplätze
Mit der geplanten Reform der LBO, sollen Bauherren zukünftig zudem eine echte Wahlmöglichkeit zwischen der Errichtung eines Kinderspielplatzes und einer diesbezüglichen monetären Ablöse erhalten. Das damit von der Gemeinde vereinnahmte Geld soll zukünftig vorrangig für die Errichtung, den Ausbau und die Instandhaltung vorhandener kommunaler Kinderspielplätze verwendet werden.
10. Ausstattung der Baurechtsbehörde
Neben den verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Änderungen, sieht die geplante Reform schließlich Änderungen und Anpassungen bei denen (unteren) Baurechtsbehörden vor. Erklärtes Ziel ist, diese in personeller Hinsicht qualitativ und quantitativ besser auszustatten und die Behörden damit nicht zum Flaschenhals schnellerer Bauverfahren werden zu lassen. Hierfür soll jede untere Baurechtsbehörde zukünftig mit Beamten besetzt werden, die die Befähigung zum höheren bautechnischen Verwaltungsdienst und die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben. Den Behörden wird hierfür eine zehnjährige Umsetzungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2033 eingeräumt. Ferner sieht die Reform den Aufbau einer Wissensplattform vor, auf der landesweit einheitlich Informationen aller unteren Baurechtsbehörden gesammelt und geteilt werden können. Schließlich sollen die Mitarbeiter/innen der Baurechtsverwaltung zukünftig einen Mindestumfang an Fortbildungen wahrnehmen und nachweisen können.
Ausblick
Der Reformvorschlag der Regierung kann derzeit von der interessierten Öffentlichkeit sowie vom Fachpublikum hier kommentiert werden.
Gelegenheit hierzu besteht bis zum 18.09.2024, 17:00 Uhr. Nach gegebenenfalls neuerlicher Befassung durch das Kabinett, soll der Reformvorschlag dem Landtag zugeleitet werden. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist es, die Reform im Jahr 2025 zu beschließen und in Kraft treten zu lassen.
Über weitere Änderungen bis dahin und in welcher Form die geplante Reform schließlich Gesetzeskraft erlangt, werden wir hier selbstverständlich informieren.
Stand: 14.08.2024