Schluss mit Gehwegparken?!

Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.06.2024 (BVerwG, Urteil vom 06.06.2024, Az. 3 C 5.23) hat das Potential, Park- und Stellplatzprobleme insbesondere in Großstädten (weiter) zu verschärfen und gibt Anwohnern gleichzeitig (unter bestimmten Voraussetzungen) Möglichkeiten, sich gegen allzu viel Blech vor der Haustüre zu wehren.

Anlass, Verfahrensgang und Entscheidung:

Anlass für diese Entscheidung ist die in vielen Städten verbreitete und bisher selten hinterfragte Praxis des „Gehwegparkens“ – das „aufgesetzte“ Parken mit zwei Rädern auf dem Bürgersteig. Vielfach nicht bekannt: Ohne explizite Anordnung, bzw. Erlaubnis durch ein Verkehrsschild, ist diese Art zu Parken gemäß § 12 Abs. 4 und 4a Straßenverkehrsordnung (StVO) verboten. Hiernach ist der „rechte Seitenstreifen“, nicht jedoch der Gehweg, zum Parken zu verwenden.

Dies nahmen Anwohner einer Bremer (Einbahn-) Straße zum Anlass und verlangten von der Stadt, Maßnahmen gegen die regelmäßig vor ihrem Haus stehenden „Gehwegparker“ zu ergreifen und entsprechende Verbotsschilder aufzustellen. Die Stadt lehnte dies, unter Verweis auf die mangelnde Erforderlichkeit solcher Schilder wegen des bereits aus dem Gesetz folgenden Verbots, ab.

Die gegen diese Ablehnung gerichtete Klage der Anwohner hatte im Ergebnis in entscheidenden Punkten Erfolg:
Bereits das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht (VG Bremen, Urteil vom 11.11.2021, Az. 5 K 1968/19) sprach den Klägern einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Einschreiten der zuständigen Behörde gegen das verbotswidrige Gehwegparken aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO zu. § 12 Abs. 4 und 4a StVO komme insoweit eine drittschützende Wirkung zu. Dabei nahm das Verwaltungsgericht, zugunsten der Kläger, sogar eine Ermessensreduktion auf Null dahingehend an, dass die Behörde – ohne eigenen Ermessensspielraum – verpflichtet sei, gegen die Parkenden einzuschreiten.

Das mit der Berufung befasste Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG Bremen, Urteil vom 13.12.2022, Az. 1 LC 64/22) bestätigte die drittschützende Wirkung des § 12 Abs. 4 und 4a StVO, schränkte den Anspruch der Kläger jedoch insoweit ein, als dass das Entschließungsermessen der Stadt nicht auf Null reduziert sei. Die Stadt habe (derzeit) keine Pflicht, auf die Anträge der Kläger hin unmittelbar einzuschreiten. Es sei vielmehr nicht zu beanstanden, wenn die Stadt zunächst den Problemdruck in den am stärksten belasteten Quartieren ermittelt und ein Konzept für ein stadtweites Vorgehen entwickelt.

Dieser Auffassung des OVG, schloss sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun letztinstanzlich in entscheidenden Punkten an (BVerwG, Urteil vom 06.06.2024, Az. 3 C 5.23). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass das in § 12 Abs. 4 und 4a StVO enthaltene „Gehwegparkverbot“ drittschützende Wirkung hat – Betroffene hätten daraus einen unmittelbaren Anspruch gegen die jeweils zuständige Behörde auf Einschreiten gegen diese Parkpraxis. Das Verbot des Gehwegparkens schütze nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Anwohner – allerdings nur, wenn diese in der Nutzung des an ihr Grundstück grenzenden Gehwegs „erheblich beeinträchtigt“ werden. Diese Voraussetzung müsse von dem jeweiligen Betroffenen geltend gemacht werden und führe im Ergebnis zu einer räumlichen Begrenzung des Anspruchs: die drittschützende Wirkung des Gehwegparkverbots aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO sei regelmäßig auf den Teil des Gehwegs beschränkt, der sich auf der „eigenen“ Straßenseite des betroffenen Anwohners befindet. Die Beeinträchtigung und damit der Anspruch finde sein Ende zudem regelmäßig an der Einmündung der nächsten (Quer-) Straße; spätestens ab dort seien Anwohner (wieder) Teil der allgemeinen Gehwegbenutzer und nicht in besonderem Maße betroffen. Im Übrigen, so das Bundesverwaltungsgericht, sei das Ermessen der Stadt, bei der Entscheidung einzugreifen, nicht auf Null reduziert. Vielmehr könne sie im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zunächst die am Stärksten vom verbotswidrigen Gehwegparken betroffenen Stadtgebiete ermitteln und ein Konzept für ein stadtweises Vorgehen hiergegen entwickeln. Eine Priorisierung beim Vorgehen ist der Behörde daher erlaubt.

Praktische Bedeutung und Auswirkungen des Urteils:

Klargestellt ist mit dem Urteil, dass Anwohner einen eigenen, direkten Anspruch gegen die jeweilige Behörde darauf haben, dass diese gegen verbotswidriges Gehwegparken vorgeht. Dies – nach den oben skizzierten Voraussetzungen – jedenfalls hinsichtlich der vor ihrem Wohnhaus liegenden Gehwege.

Städte und Gemeinden sollten unerlaubtes Gehwegparken daher nicht dauerhaft dulden oder tatenlos hinnehmen, um sich nicht angreifbar zu machen.

Anlass für allzu große Aufregung oder gar das konzeptlose Aufstellen von Ge- und Verbotsschildern besteht gleichwohl nicht. Den Städten und Gemeinden wird, im Rahmen des ihnen zukommenden Entschließungsermessens, zugebilligt, Maßnahmen gegen Gehwegparken zu priorisieren und ein gebiets- oder städteweises Konzept zu entwickeln.

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