Vorwurf „Greenwashing“: Abmahnung wegen Werbung mit zertifizierter Klimaneutralität

Wenn sich Unternehmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes engagieren, besteht regelmäßig der Wunsch dies auch öffentlich zu kommunizieren. Insbesondere externe Dienstleister bieten daher vermehrt die „Zertifizierung“ der Klimaneutralität an, mit der sodann auf Produkten oder für das Unternehmen gegenüber Geschäftspartnern geworben werden kann. Doch drei jüngere wettbewerbsrechtliche Urteile zeigen: Der Teufel lauert dabei im Detail. Bei falscher Werbegestaltung drohen nicht nur rufschädigende Vorwürfe des sog. „Greenwashings“, sondern auch kostenpflichtige Abmahnungen und Gerichtsverfahren mit schwer vorhersehbarem Ausgang.

„klimaneutral“ als irreführende Werbeaussage

Über die wettbewerbsrechtlichen Anforderungen an eine zulässige Werbung hatten jüngst das OLG Düsseldorf in gleich zwei Verfahren sowie ferner das LG Karlsruhe in einem weiteren Rechtsstreit zu entscheiden. Den jeweiligen Beklagten der Verfahren wurde vorgeworfen, durch die Bewerbung ihrer Produkte als „klimaneutral“ oder „umweltneutral“ eine Irreführung der Verbraucher herbeigeführt zu haben. Liegt eine wettbewerbsrechtliche relevante Irreführung nach § 5 oder § 5a UWG vor, so stehen Mitbewerbern sowie qualifizierten Wirtschaftsverbänden insbesondere Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu. Die Irreführung kann dabei auch in einem „Unterlassen“ liegen; also beispielsweise darin, dass dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten werden.

Anforderungen der Rechtsprechung an zulässige Werbung

Die drei Verfahren endeten dabei höchst unterschiedlich, obwohl die Produkte und deren Bewerbung lediglich im Detail anders gestaltet waren. So entschied das OLG Düsseldorf einerseits, dass mit Klimaneutralität grundsätzlich geworben werben darf, wenn der Verbraucher ausreichend darüber aufgeklärt wird, wie diese Klimaneutralität erreicht werde. Dies müsse beispielsweise durch Anbringung von Hyperlinks oder QR-Codes geschehen, die zu erläuternden Informationen führen. Andererseits machte das OLG Düsseldorf im Parallelverfahren deutlich, dass die Werbung mit Klimaneutralität regelmäßig dann unzulässig sein dürfte, wenn solche Angaben fehlen. Das LG Karlsruhe stellte darüber hinaus fest, dass es sogar auf die einzelnen Kompensationsmaßnahmen ankommen könne, ob zulässigerweise mit dem Begriff „klimaneutral“ geworben werden darf.

Siegel oder „Zertifizierungen“ zur Klimaneutralität schützen alleine nicht

Bemerkenswert sind die Urteile auch deshalb, weil die Gerichte deutlich gemacht haben, dass eine „Zertifizierung“ der Klimaneutralität durch ein Drittunternehmen alleine noch keine Irreführung ausräumen kann, selbst wenn sie von seriösen Unternehmen stammen, welche die Nachhaltigkeit nach bestimmten festgelegten Kriterien prüfen. Solche Zertifikate bieten daher nur einen trügerischen „Schutz“, obgleich sie vielfach mit hohem Aufwand und Kosten verbunden sind. Denn rechtlich bleiben sie zumindest dann wirkungslos, wenn nicht darüber hinaus im Rahmen der Werbung deutlich wird, worauf sich die behauptete Klimaneutralität bezieht (bspw. das gesamte Unternehmen, der Lebenszyklus des Produkts oder lediglich die Produktion) und ferner eine Aufklärung des Verbrauchers stattfindet, was mit Klimaneutralität im Einzelnen gemeint ist und wie diese herbeigeführt wird.

Ausblick auf Anforderungen und EU-Gesetzgebung

Die drei Urteile reihen sich im Grundsatz in die bislang bestehende obergerichtliche Rechtsprechung zu Werbung mit Umwelt- und Klimaschutzaspekten ein und konkretisieren diese weiter. Ergebnis ist eine differenzierte Rechtsprechung, deren Maßgaben äußert exakt berücksichtigt werden müssen, damit rechtliche Risiken ausgeschlossen werden können. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu „grüner“ Werbung steht allerdings noch aus, sodass gewisse Unsicherheiten einstweilen verbleiben.

Zukünftig wird darüber hinaus jedoch maßgeblich auch die Gesetzgebung der Europäischen Union zu berücksichtigen sein. Die EU plant hierzu eine Richtlinie zur Kommunikation und Belegbarkeit umweltbezogener Werbung („Green Claims“-Directive), über deren Entwurf VOELKER in einem gesonderten Artikel berichten wird.

Zusammenfassung

  • Bei Werbung mit Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich des eigenen Unternehmens oder dessen Produkte müssen differenzierte Anforderungen der Rechtsprechung berücksichtigt werden.
  • Bereits vermeintlich kleine Verstöße gegen Aufklärungspflichten könnten Abmahnungen bzw. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
  • Siegel oder „Zertifizierungen“ von Drittunternehmen bieten hiergegen alleine keinen Schutz.
Aktenzeichen der in Bezug genommenen Urteile:

  • OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 – 20 U 72/22
  • OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 – 20 U 152/22
  • LG Karlsruhe, Urt. v. 26.07.2023 – 13 O 46/22 KfH
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