Ein-Personen-Gesellschaft zur Vermeidung von Sozialversicherungspflichten?

Die Gründung einer Kapitalgesellschaft ist seit dem Jahr 2008 stark vereinfacht, da seither auch sogenannte haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaften – kurz UG – mit einer „Stammkapital“ von einem Euro gegründet werden können. Als Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen die Gesellschafter in der Regel nicht der Sozialversicherungspflicht. Diesen Umstand haben sich nun einige findige Unternehmer zu Nutzen gemacht, eine UG gegründet und für Dritte Dienstleistungen erbracht.

Grundsätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, Dritten gegenüber als Gesellschafter einer UG Dienstleistungen zu erbringen, ohne dass diese Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Selbstverständlich können auch Kapitalgesellschaften in der Rechtsform einer UG eigenen Mitarbeiter zur Erbringung von Dienstleistungen für Dritte einsetzten. So kann zum Beispiel eine Werbeagentur in der Rechtsform der UG mit den bei ihr angestellten Mitarbeitern Werbeaufträge für Kunden bearbeiten.

Kritisch wird es allerdings dann, wenn die Kapitalgesellschaft als Ein-Personen-Gesellschaft besteht, keine eigenen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt und für Auftraggeber Dienstleistungen erbringt, die originär dem Geschäftsbereich des Auftraggebers unterliegen.

Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20.07.2023

Das Bundessozialgericht hatte am 20.07.2023 in insgesamt drei Verfahren (Az. B 12 BA 1/23 R, Az. B 12 R 15/21 R und Az. B 12 BA 4/22 R) über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Gesellschafter-Geschäftsführer bei Ein-Personen-Gesellschaften zu entscheiden. Bei zwei Verfahren handelte es sich jeweils um den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer UG, im Verfahren B 12 R 15/21 R um den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH.

Das Bundessozialgericht hat in allen drei Fällen die grundsätzliche Möglichkeit der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung trotz Vertragsbeziehungen zwischen den Kapitalgesellschaften und dem auftraggebenden Unternehmen bejaht, allerdings das Verfahren B 12 BA 1/23 R und das Verfahren B 12 R 15/21 R zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die jeweiligen Landessozialgerichte zurückverwiesen. Im Verfahren B 12 BA 4/22 R, in dem der Gesellschafter-Geschäftsführer das auftraggebende Unternehmen mit Strategieentwicklungsthemen und Planung des Vertriebs unterstützte, hat das Bundessozialgericht eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers für das auftraggebende Unternehmen festgestellt.

Maßgebend ist die Art der Beschäftigung

Zur Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsstatus ist § 7 Abs. 1 SGB IV maßgebend. Dort heißt es „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“

Im Wesentlichen hat das Bundessozialgericht in den drei Entscheidungen vom 20.07.2023 festgehalten, dass ein sich selbst überlassender Alleingesellschafter, der die von seiner Kapitalgesellschaft eingegangene vertragliche Verpflichtung bei und für einen Auftraggeber erfüllt, den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Regeln zur Ermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses unterliegt wie eine natürliche Person, die ein freies Mitarbeiterverhältnis eingeht.

Es kommt also alleine darauf an, ob der Gesellschafter einer Ein-Personen-Gesellschaft eine natürliche Person ist und sich dessen Tätigkeit im auftraggebenden Unternehmen nach dem tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung darstellt, der Gesellschafter- Geschäftsführer also in den auftraggebenden Betrieb eingegliedert ist, kein eigenes wirtschaftliches Risiko in Bezug auf diese Tätigkeit trägt und bei näherer Betrachtung eigentlich eine weisungsgebundene Tätigkeit ausübt. Ein sehr hohes Risiko für eine solche Bewertung besteht dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer Tätigkeiten ausübt, die im auftraggebenden Unternehmen auch von angestellten Mitarbeitenden verrichtet werden.

Gründung von Kapitalgesellschaften kein „Allheilmittel“ gegen Sozialversicherungspflicht

Das Bundessozialgericht hat zwar nunmehr erneut einer kreative Möglichkeit, sich auf dem Dienstleistungsmarkt mit selbständigen Tätigkeiten außerhalb eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu etablieren, einen Riegel vorgeschoben. Bezeichnend ist aber, dass das Bundessozialgericht die Gründung einer Kapitalgesellschaft als Ein-Personen-Gesellschaft nicht grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich gewertet hat, sondern es nach wie vor auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit, bei der eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und damit eine Art der Weisungsgebundenheit vermieden wird, ist daher nach wie vor in vielen Bereichen, insbesondere im beratenden Sektor, möglich.

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