BAG lockert die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung, BAG 13.05.2015 – 10 AZR 266/14
Der Kläger war vom 1. Mai 1992 bis zum 19. November 2010 bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Einen schriftlichen Vertrag gab es nicht. Der Kläger erhielt mit der am 10. Januar des Folgejahres ausgezahlten Vergütung für Dezember einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000,00 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500,00 Euro brutto belief. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 Euro brutto zu. Durch die vorbehaltlose Leistung einer Sonderzahlung in drei aufeinanderfolgenden Jahren habe die Beklagte ihm gegenüber konkludent eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründet. Die geringere Höhe der Sonderzahlung im Jahr 2007 stehe dem für das Jahr 2010 geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Nach der Abweisung der Klage durch Vorinstanzen, begehrte Kläger sein Zahlungsanspruch mit der Revision.
Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte ein gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers nur angenommen werden, wenn nach dem objektiven Empfängerhorizont der Eindruck entstand, der Arbeitgeber habe sich selbst eine Regel gesetzt und an diese auch gehalten. Dies wurde angenommen, wenn der Arbeitgeber mindestens drei Jahre lang vorbehaltlos Sonderzahlungen geleistet hat und zwar jeweils zum gleichen Zeitpunkt und in gleicher Höhe. Gewährte der Arbeitgeber eine Leistung zwar regelmäßig, aber in jeweils unterschiedlicher Höhe, fehlte es schon am objektiv geäußerten Verpflichtungswillen, die Leistung in gleicher Weise auch in Zukunft zu gewähren. Die betriebliche Übung konnte damit verhindert werden. Ausnahme waren die Fälle, in denen der Unterschied damit begründet war, dass die Höhe der Sonderzahlungen einen bestimmten immer konstanten Prozentsatz von z.B. Jahresgewinn aufwies. Hier ist die Gleichförmigkeit dadurch gewahrt, dass der Prozentsatz immer der gleiche bleibt.
Nach der neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgericht hält dieses an seiner früheren Rechtsprechung – soweit es vertreten hat, bei den regelmäßigen Zuwendungen in jährlich unterschiedlicher Höhe fehle es an der Gleichförmigkeit des Verhaltens und es würde darin nur der Wille des Arbeitgebers gesehen, sich über die weiteren Zuwendungen immer neu entscheiden zu wollen – nicht mehr fest. Vielmehr vertritt es nun die Auffassung, dass allein die jährlich individuell unterschiedliche Höhe der Zuwendung nicht geeignet ist, einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen. Der Arbeitnehmer darf darauf vertrauen, dass die Sonderzahlung grundsätzlich jährlich geleistet wird und nur über die Festsetzung der Höhe jeweils neu entschieden wird.
Das Bundesarbeitsgericht hat im vorliegenden Fall den Anspruch des Klägers auf Leistung der Sonderzahlung dem Grunde nach bejaht. Wegen der festzusetzenden Höhe hat es die Sache für nicht entscheidungsreif befunden und an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht das Landesarbeitsgericht angewiesen, im Falle, dass die Beklagte für die Bemessung der Höhe beweisfällig bleibt, der Beklagten die Gelegenheit gegeben werden muss, vorzutragen, dass die für das Jahr 2010 vorgenommene Leistungsbestimmung „auf Null“ billigem Ermessen entsprach. Gelingt der Beklagten der Beweis nicht, muss das LAG die Bemessung selbst vornehmen.
Stand: 13.05.2015