Starkes Übergewicht als Behinderung im Sinne der Antidiskriminierungsrichtlinie, EuGH 18.12.2014 — C 354/13 (Kaltoft)
Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs lag die ordentlich betriebsbedingte Kündigung eines Gemeindeangestellten, Herrn Kaltoft zugrunde, der 15 Jahre als Tagesvater in der Kinderbetreuung gearbeitet hatte. Herr Kaltoft brachte über 160 kg bei einer Körpergröße von 172 cm auf die Waage, was einem Body-Mass-Index (BMI) von über 54 entspricht. Der Kläger ging davon aus, die Kündigung diskriminierend sei, da sie wegen des Übergewichts erfolgte.
Daraufhin legte das dänische Gericht den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vor und fragte, ob eine Benachteiligung wegen Übergewichts verboten ist und ob Fettleibigkeit zumindest eine Behinderung im Sinne der europäischen Richtlinie 2007/78/EG sei. Der beim EuGH zuständige Generalanwalt Jääskinen regte an, eine Behinderung ab einem BMI von 40 oder mehr anzunehmen.
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass Adipositas eine Behinderung im Sinne des europäischen Antidiskriminierungsrechts darstellen kann. Eine starre Grenze ab einem BMI von 40 wollte der EuGH jedoch nicht statuieren. Eine Behinderung im Sinne der Richtlinie liegt nach Auffassung des EuGH vor, wenn Einschränkungen auf Grundlage des Übergewichts Folge von langfristigen physischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen sind und den Betroffenen an der vollen und gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindern können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer wegen des Übergewichts in seiner Mobilität eingeschränkt ist und wenn auf das Übergewicht zurückzuführende Krankheitsbilder auftreten, die ihn an der Arbeit hindern oder beeinträchtigen.
Zwar zieht der EuGH keine klare Grenze ab wann Übergewicht als Behinderung zu werten ist, nichtdestotrotz kann es sich um eine Behinderung handeln, wenn die vorgenannten Kriterien der Einschränkung in der Mobilität und gewichtsbedingte Krankheitsbilder vorliegen. Hieraus folgt, dass sich Arbeitnehmer mit starkem Übergewicht in Zukunft auf die für Behinderte geltenden Antidisriminierungsvorschriften berufen können, da Mobilitätseinschränkungen zumeist vorliegen werden.
Stand: 18.12.2014