Eine nachteilige Abänderung einer individualvertraglich vereinbarten Vergütung nach tariflichen Grundsätzen durch Betriebsvereinbarung ist unzulässig Pressemitteilung Nr. 18/18 zu BAG 11.04.2018 – 4 AZR 119/17
Der Kläger ist seit 1992 als Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Im Dezember 1992 vereinbarten der Kläger und die tariflich nicht gebundene Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Vergütung des Klägers nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils geltenden Fassung. Im Februar 1993 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung ab. Gemäß dieser Betriebsvereinbarung sollten in ihrem Anwendungsbereich „analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn-und Vergütungstarifvertrages- BAT vom 11.01.1961“ gelten. Diese Betriebsvereinbarung sollte auch Bestandteil der Arbeitsverträge werden, die vor Februar 1993 geschlossen wurden. Der Kläger unterzeichnete einen entsprechenden Nachtrag zum Arbeitsvertrag. Die Beklagte erwarb das Senioren- und Pflegezentrum von der Rechtsvorgängerin im Wege des Betriebsüberganges und kündigte die Betriebsvereinbarung zum 31.12.2001. Im März 2006 vereinbarten die Parteien im Zusammenhang mit einer Arbeitszeiterhöhung, dass das Gehalt „entsprechend der 0,78 Stelle auf 1.933,90 Euro erhöht“ werde und „alle übrigen Bestandteile des bestehenden Arbeitsvertrages … unverändert gültig“ blieben. Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht auf Zahlung von Differenzlohn gegen die Beklagte. Er vertrat die Auffassung, ihm stehe aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für die kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung (TVöD/VKA) bzw. dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu. Die Beklagte meint, eine dynamische Bezugnahme auf die vom Kläger herangezogenen Tarifwerke liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht Essen wies die Klage ab. Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf folgte der Argumentation des Klägers nicht und wies die Berufung zurück.
Der Vierte Senat des BAG gab dem Kläger Recht: Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede konnte bereits deshalb nicht durch eine kollektivrechtliche Regelung abgeändert werden, weil es sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte Regelung der Hauptleistungspflicht handelte.
Fazit: Das Urteil des BAG stärkt das Vertrauen von Arbeitnehmern in Tariflohnzusagen der Arbeitgeber. Für Arbeitgeber, die kommunale Betriebe übernommen haben, könnte das Urteil teuer werden: Sie müssen sich künftig bei übernommenen Mitarbeitern an individuelle, veraltete Tariflohnzusagen halten, selbst wenn sie selbst keiner Tarifbindung unterliegen. Eine Anpassung der Vergütung bei übernommenen Mitarbeitern ist nur durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung zu erreichen. Diese wiederum dürfte mit weiteren Zugeständnissen und einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden sein.
Stand: 30.04.2018