Legalitätspflicht der Unternehmensleitung vs Unabhängigkeit der internen Meldestelle: Wo enden die Befugnisse der internen Meldestelle?
Hier zeigt sich recht schnell ein Spannungsfeld zwischen den Befugnissen der internen Meldestelle im Rahmen ihrer Unabhängigkeit und den Interessen und Pflichten der Unternehmensleitung im Rahmen ihrer Legalitätspflicht. Wer ist in diesen Fällen wirklich zuständig? Wessen Ermittlungen haben Vorrang?
Ausgehend vom reinen Gesetzeswortlaut dürfte die interne Meldestelle interne Untersuchungen unabhängig, d.h. quasi an der Unternehmensleitung vorbei, vornehmen. Dies kann aber weitreichende und schwerwiegende Folgen haben. Interne Untersuchungen sind ein sensibles und auch haftungsträchtiges Thema, das viele rechtliche Kenntnisse voraussetzt. Bereits fachlich dürfte die interne Meldestelle, die nach dem Gesetz lediglich die „notwendige Fachkunde“ aufzuweisen hat, nicht in der Lage sein, hier adäquate Entscheidungen selbstständig zu treffen. Obläge diese Aufgabe tatsächlich der internen Meldestelle, könnte diese ohne weiteres auch gegen den Willen der Unternehmensleitung kostenintensive Untersuchungen beauftragen, deren Ergebnisse schlimmstenfalls das gesamte Unternehmen gefährden könnten. Es entstünde eine Art Ermittlungsbehörde in den eigenen Reihen, die ggf. von der Unternehmensleitung angestrengte Ermittlungen vereiteln könnte.
Betrachtet man zusätzlich den Umstand, dass die Verantwortung für die Aufklärung von Verstößen und ebenso auch das (persönliche) Haftungsrisiko immer bei der Unternehmensleitung liegt, kann eine vollständige Unabhängigkeit der internen Meldestelle bei Folgemaßnahmen nur verneint werden und auch vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein. Wie dies dogmatisch zu lösen ist, bleibt offen. Sinnvoll erscheint der Ansatz der teleologischen Reduktion des § 15 Abs. 1 S. 1 von Dilling, dass die interne Meldestelle allenfalls bei beim Betrieb der Meldekanäle gem. § 16 und bei der Führung des Verfahrens gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1–5, Abs. 2 unabhängig sein kann, nicht dagegen bei der Ergreifung von Folgemaßnahmen, für die nach geltendem Gesellschaftsrecht die Unternehmensleitung zuständig und verantwortlich ist (BeckOK HinSchG/Dilling, 1. Ed. 15.10.2023, HinSchG § 15 Rn. 8).
Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Unternehmensleitung – schon aufgrund ihrer Legalitätspflicht und ihren Haftungsrisiken - die Möglichkeit haben muss, sowohl auf die Entscheidung über die Einleitung von internen Untersuchungen als auch deren Durchführung Einfluss zu nehmen. Aber selbst dies ist an sich zu wenig, führt man sich vor Augen, dass die Unternehmensleitung im Zweifel die volle Verantwortung und Haftung trifft. In der Praxis könnte dieses Problemfeld dahingehend aufgelöst werden, dass die interne Meldestelle in Gebrauch des § 18 Nr. 4 a für die weiteren Untersuchungen an die intern zuständige Stelle verweist. Hier wäre noch klarzustellen, dass diese Stelle die Unternehmensleitung ist. Dann hätte diese festgemacht an der hinweisgeberschutzgesetzlichen Konzeption auch formal die Befugnis, die ihr schon aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht inne ist (so auch BeckOK HinSchG/Dilling, 1. Ed. 15.10.2023, HinSchG § 15 Rn. 11 ff. mit weiteren Umsetzungsvorschlägen).
Unternehmen sind gut beraten, frühzeitig etwaige Konfliktsituationen im Hinblick auf Zuständigkeiten, Befugnisse und Aufgaben mit ihrer internen Meldestelle formal zu regeln. Tritt der Krisenfall ein, ist schnelles Handeln gefragt. Wer dann erst die Zuständigkeit und etwaige Konkurrenzen mit der internen Meldestelle klären muss, verliert wertvolle Zeit. Zudem gilt es zu vermeiden, dass die interne Meldestelle in fälschlicher Einschätzung ihrer Kompetenzen bereits die Einleitung von internen Untersuchungen veranlasst hat, noch bevor die Unternehmensleitung Maßnahmen ergreifen konnte.
Stand: 11.12.2023