Start-ups im Krisenmodus – Haftungsvermeidung bei (drohender) Insolvenz

Der Übergang von der Investorensuche zur Krise ist meist fließend und birgt ein erhebliches Haftungsrisiko für die Geschäftsführer. Denn auch für die Geschäftsführer von Start-ups gilt die Insolvenzantragspflicht, sofern diese in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (z. B. einer GmbH) organisiert sind. Tritt ein Insolvenzgrund ein, müssen die Geschäftsführer rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen, um ihre persönliche Haftung zu vermeiden. Die Fristen zur Insolvenzantragsstellung von drei bzw. bei Überschuldung sechs Wochen sind Höchstfristen. Von den Geschäftsführern wird demnach nichts weniger verlangt als die ständige Überwachung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Zwingende Insolvenzgründe sind der Eintritt der Zahlunfähigkeit und die Überschuldung.
Was bedeutet „Zahlungsunfähigkeit“?
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen innerhalb der nächsten drei Wochen nicht in der Lage ist, 90 % der fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Das ist anhand einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und (sämtlichen!) fälligen Verbindlichkeiten zu prüfen.
Was bedeutet „Überschuldung“?
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (sogenannte Fortbestehensprognose). Liegt eine positive Fortbestehensprognose vor, so ist eine Überschuldung ausgeschlossen.
Relevanz der Fortbestehensprognose für Start-ups
Die Fortbestehensprognose ist praktisch gesehen nichts anderes als eine Vorschau bzgl. der Liquidität für die kommenden zwölf Monate. Es muss für diesen Zeitraum die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Zahlungsfähigkeit (>50% der Verbindlichkeiten) anhand einer schlüssigen und realisierbaren Planung bestehen. Sie ist vom Geschäftsführer aufzustellen und gegebenenfalls der Prüfung eines sachverständigen Dritten zu unterziehen. Bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob für die Fortbestehensprognose neben der Zahlungsfähigkeit auch eine Ertragsfähigkeit vorausgesetzt wird. Dies würde bedeuten, dass die Mittel zur Finanzierung des Unternehmens aus diesem selbst kommen müssen. Gerade dieser Punkt ist jedoch für Start-ups entscheidend, da sie bei dieser Voraussetzung aufgrund der vielen Fremdfinanzierungen überschuldet und folglich insolvent wären. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 16.08.2023 (Az. 12 U 59/22) zuletzt seine eigene Rechtsprechung bestätigt, nach der jedenfalls bei Start-ups die Ertragsfähigkeit keine Voraussetzung für eine positive Fortführungsprognose sei. Die dafür erforderliche Liquidität könne auch von Dritten, sowohl von Fremd- als auch Eigenkapitalgebern, zur Verfügung gestellt werden. Dies ist konsequent, da sich Geschäftschancen bei Start-ups meist erst zu einem späteren Zeitpunkt realisieren.
Essentielle Bestandteile der Fortbestehensprognose
Wie so oft, ist eine gute Prävention und Planung die beste Vermeidung einer Haftung. Wichtigster Bestandteil der Fortbestehensprognose ist eine schlüssige und realistisch ausgerichtete Finanzplanung für den gesamten Prognosezeitraum, deren Umsetzung regelmäßig überwacht werden sollte. (Erwartete) Finanzierungsbeiträge sind mit ihrer Wahrscheinlichkeit und den Gründen zu dokumentieren. Zudem sollte die Fortbestehensprognose eine aktuelle Darstellung des Unternehmenskonzeptes und der relevanten Milestones beinhalten. Die Marktchancen und die erwartete Marktentwicklung sind ebenso zu dokumentieren. Im Zweifel sollte juristischer Rat eingeholt werden.