Mietzahlungspflicht trotz einer behördlich angeordneter Betriebsschließung?

Mit der Rechtsverordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 17.03.2020 werden zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte und Einrichtungen nicht weiter betrieben werden können. Im Vergleich zu der ersten Verordnung vom 16.03.2020 wurden die Verbote sogar noch deutlich ausgeweitet. Neben zahlreichen Einrichtungen wie Kinos, Bildungseinrichtungen jeglicher Art, Fitnessstudios, Tanzschulen, Eisdielen und Kneipen ist nun auch der Betrieb sämtlicher Einzelhandelsbetriebe untersagt, sofern diese nicht ausdrücklich von dem Verbot ausgenommen sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 12 CoronaVO). Auch der Betrieb von Gaststätten ist weiter nur mit erheblichen Einschränkungen zulässig.

Da die betroffenen Einrichtungen aufgrund dieser drastischen Maßnahmen zwangsläufig mit erheblichen Umsatzeinbußen zu rechnen haben, stellt sich nun die Frage, ob der Betreiber der jeweiligen Einrichtung die Miete für den Betrieb mindern oder eine Stundung der Miete beanspruchen kann.

Gemäß § 535 Abs. 2 BGB hat der Mieter bei einem Mietvertrag die Hauptpflicht, die Miete zu zahlen. Dies gilt nach § 537 Abs. 1 S. 1 BGB selbst dann, wenn der Mieter aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes an der Verwendung des Mietobjekts gehindert ist. Demnach hat der Betreiber einer betroffenen Einrichtung grundsätzlich bei einer selbst vollzogenen Betriebsschließung aufgrund des Corona-Virus die Miete weiterhin uneingeschränkt zu zahlen.

Ist die Betriebsschließung jedoch behördlich angeordnet ist nach dem Grund hierfür zu unterscheiden:

Die Miete reduziert sich kraft Gesetzes gemäß § 536 BGB im Zweifel auf Null, wenn die im Verordnungswege erlassene Betriebseinschränkung einen Sach- oder Rechtsmangel der Mieträume darstellt. Eine im Wege der Rechtsverordnung erlassenes Verbot stellt ein öffentlich-rechtliches Gebrauchshindernis dar. Im Hinblick auf die Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter kommt es darauf an, ob dieses Gebrauchshindernis seine Ursache in der konkreten Beschaffenheit der Miet- oder Pachtsache oder in den persönlichen bzw. betrieblichen Umständen des Mieters hat. Die Verantwortlichkeit für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse hängt demnach von der gesetzlichen Risikoverteilung ab, welche im Wesentlichen aus § 535 Abs. 1 BGB abgeleitet wird. Danach liegt es prinzipiell in der Verantwortlichkeit des Vermieters, dass der vertragsentsprechende Gebrauch des Mietobjekts ohne rechtliche Beschränkungen oder Hindernissen möglich ist, welche sich speziell aus dem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ergeben können. Den Mieter trifft dagegen grundsätzlich das Verwendungsrisiko, soweit dieses nicht vertraglich auf den Vermieter übertragen worden ist. Bei der Gewerberaummiete gehört zum Verwendungsrisiko insbesondere das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinn erzielen zu können. Wenn durch die hiesige Rechtsverordnung ein Mieter das Mietobjekt nicht mehr nutzen kann und sich daher seine Umsatzerwartung nicht mehr erfüllt, ist für die Frage, ob hierdurch ein Mangel gegeben ist, danach zu differenzieren, ob sich hiermit nur das Verwendungsrisiko des Mieters realisiert hat oder die Gebrauchsüberlassungspflicht des Vermieters verletzt ist.

Bereits das Reichsgericht hat sich mit einer solchen Abgrenzung befasst. Dabei ging es um die Frage, ob dem Pächter eines Tanzlokals eine Minderung der Pacht zusteht, wenn aufgrund einer polizeilichen Verordnung öffentliche Tanzveranstaltungen generell verboten werden und der Pächter daher erhebliche Umsatzeinbußen erleidet. In diesem Fall wurde mit Ausbruch des ersten Weltkrieges der Betrieb von Tanzlokalen generell in ganz Berlin untersagt. Der Verpächter trage nach der gesetzlichen Risikoverteilung die Gefahr solcher Unglücksfälle, die den Pachtgegenstand selbst treffen und so den vertragegemäßen Gebruach einschränken oder unmöglich machen. Der Pächter trage hingegen das Risiko der "Wirklichkeit des Fruchtbezuges" also der wirtschaftlichkeit des Betriebs der Pachträume. Nach Ansicht des Reichsgerichts stelle das polizeiliche Verbot einen Zufall dar, welcher den Pachtgegenstand selbst (also die Gebrauchsüberlassungspflicht) und nicht die Früchte oder deren Entstehung (d.h. das Verwendungsrisiko) treffe. Diesen Zufall habe demnach der Verpächter zu tragen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidungspraxis dieselben Grundsätze angewandt: Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Miet- oder Pachtobjektes entgegenstehen, begründen dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben. Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Miet- oder Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Miet- bzw. Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters/Pächters.

Entsprechend trägt der Vermieter das Risiko, dass die vermieteten Räume nach ihrer Lage und baulichen Beschaffenheit für den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck geeignet sind. Ist bspw. die Nutzung als Diskothek aufgrund mangelhaften Brandschutzes bauordnungsrechtliche unzulässig oder der Betrieb eines als solches vermieteten Restaurants wegen dessen Lage in einem reinen Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig, trägt dieses Risiko der Vermieter. Das Verwendungsrisiko des Mieters ist jedoch betroffen, wenn der Betreib einer Gaststätte durch Einführung eines gesetzlichen Rauchverbotes wirtschaftlich beeinträchtigt werden. Der Bundesgerichtshof stellte dabei entscheidend darauf ab, das durch das Nichtraucherschutzgesetz an die betrieblichen Verhältnisse des Gaststättenbetreibers anknüpfe, nicht an den Zustand oder die Beschaffenheit der vermieteten bzw. verpachteten Räume. Adressat des Rauchverbotes sei zudem der einzelne Gast; der Gastwirt werde nur mittelbar zur Umsetzung veranlasst.

Dreh- und Angelpunkt für die Frage, wer das durch die Betriebseinschränkungen hervorgerufene Risiko trägt, bleiben die konkreten vertraglichen Vereinbarungen. Nur hieraus ergibt sich der konkrete Vertragszweck und damit auch der Soll-Zustand, der für die Frage einer möglichen Mangelhaftigkeit der Mieträume heranzuziehen ist. Auch die übrigen vertraglichen Abreden zur Risikoverteilung spielen eine gewichtige Rolle. Wir beraten Sie gerne zu den Auswirkungen von Betriebsbeschränkungen auf Ihr Miet- oder Pachtverhältnis und unterstützen Sie bei der Lösung der hierdurch entstehenden Probleme.

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