Bauplanungsrecht: Ausweisung neuer Wohnbauflächen am Ortsrand wird schwieriger
Den Bebauungsplan der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB, und die Möglichkeit der Aufstellung von Bebauungsplänen in Ortsrandlagen gemäß § 13b BauGB. Beiden beschleunigten Verfahren ist gemein, dass insbesondere auf eine Umweltprüfung und einen Umweltbericht, der ansonsten in einem Bauleitplanverfahren erforderlich ist, verzichtet wird. Entsprechend ließ § 13b BauGB die Aufstellung von Bebauungsplänen auf Außenbereichsflächen mit weniger als 10.000 m² zu, wenn diese unmittelbar an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen und Wohnnutzungen ermöglichen, ohne dass eine Umweltprüfung und ein Umweltbericht zu erstellen waren.
Diese Möglichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht nun mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3/22) beendet. In dem Normenkontrollverfahren hatte sich eine Umweltvereinigung gegen einen Bebauungsplan gewendet, der nach § 13b BauGB in beschleunigtem Verfahren in Ortsrandlage aufgestellt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich in seiner Entscheidung mit den Anforderungen an Planungsvorhaben auseinander, die aus der Richtlinie 2001/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (die sogenannte Strategische-Umwelt-Prüfungs-( kurz SUP)-Richtlinie) folgen. Ziel der SUP-Richtlinie ist zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Planung und Ausarbeitung von Plänen und Programmen einbezogen werden. Entsprechend muss eine Umweltprüfung immer dann durchgeführt werden, wenn ein Plan oder Programm voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben wird.
Diese europarechtliche Regelung gilt dabei nicht unmittelbar, sondern muss von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum und ermöglicht so auf nationaler Ebene Regelungen, die bestimmte Arten von Plänen und Programmen im Einzelfall oder generell von einer Umweltprüfung ausschließen. Ausdrücklich nennt Art. 3 Abs. 3 der SUP-Richtlinie hier Pläne und Programme, die lediglich die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen oder nur geringfügige Änderungen vorsehen. Das hier betroffene Umsetzungsgesetz, das Baulandmobilisierungsgesetz vom 14. Juni 2021 war noch durch die große Koalition verabschiedet worden. Ziel der in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich begrenzten Vorschrift war es, dem Wunsch vieler Gemeinden aus dem ländlichen Raum eine schnellere Ausweisung neuer Baugebiete zu ermöglichen.
Die vorbezeichneten Anforderungen der SUP-Richtlinie sieht das Bundesverwaltungsgericht durch § 13b BauGB verletzt an. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts stellt zunächst klar, dass sämtliche Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben werden, einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen. Lege der nationale Gesetzgeber eine bestimmte Art von Plänen fest, die von einer Umweltprüfung ohne Einzelfallprüfung ausgeschlossen sein sollen, müsse sichergestellt werden, dass für jeden möglichen Anwendungsfall erhebliche Umweltauswirkungen durch den Plan ausgeschlossen werden.
Eine Festlegung, die lediglich im Wege einer typisierenden bzw. pauschalierenden Betrachtungsweise, d. h. im allgemeinen und regelhaft, aber zugleich verbunden mit der Hinnahme von Ausnahmen, erreicht wird, sei ausdrücklich nicht ausreichend. Entsprechend sei bei § 13b BauGB, der die Ausweisung von Wohnbauflächen im bisher unbebauten Außenbereich zulässt, nicht auszuschließen, dass hier erhebliche Umweltauswirkungen eintreten werden. Das Argument, das noch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg als Vorinstanz vertreten hatte, die Außenbereichsfläche, die in einem Plan nach § 13b BauGB einbezogen werde, sei durch die angrenzende Bebauung ohnehin vorbelastet, lässt das Bundesverwaltungsgericht nicht gelten. So könnten etwa an Siedlungsflächen angrenzende Wiesenflächen in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzenarten bieten und somit zur Artenvielfalt beitragen. Gleiches gelte für an Siedlungsgebiete angrenzende Streuobstwiesen oder auch bewaldeten Flächen. Bei solchen Außenbereichsflächen sei gerade nicht von vornherein auszuschließen, dass erhebliche Umweltauswirkungen durch eine Überplanung eintreten. Dies mache die Regelung insgesamt unionsrechtswidrig.
Die SUP-Richtlinie schreibt demnach in allen Fällen eine Tatsachenermittlung zur Identifikation von schutzwürdigen Bereichen vor. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist nun klar, dass diese Tatsachenermittlung in Form der strategischen Umweltprüfung auch im Anwendungsbereich des § 13b BauGB, also in vergleichsweise kleinen Plangebieten zum Wohnungsbau, die sich an ihm Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, erforderlich ist.
Bebauungspläne, die im Verfahren nach § 13b BauGB im beschleunigten Verfahren aufgestellt wurden, leiden daher unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an einem erheblichen Verfahrensmangel. Wurde dieser Mangel innerhalb der Jahresfrist seit öffentlicher Bekanntmachung des Planes gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB auch schriftlich gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht, kann er in einem entsprechenden Normenkontrollverfahren zur Unwirksamkeit des Bebauungsplanes führen. So geschah es im hier entschiedenen Fall.
Ausblick
§ 13b BauGB hat bereits frühzeitig in der juristischen Fachliteratur Kritik erfahren. Gerade der Verzicht auf eine Vorprüfung des Einzelfalls auch bei Außenbereichsflächen wurde vielfach kritisiert. Durch die Entscheidung besteht in diesem Bereich nun Rechtssicherheit.Allerdings sind die Auswirkungen der Entscheidung auf Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren als Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB erlassen wurden, derzeit noch unklar. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zwar dazu geäußert, dass sich im Rahmen der von § 13a BauGB privilegierten Innenentwicklung durchaus Pläne und Programme definieren ließen, die voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben würden. Dabei verweist das Bundesverwaltungsgericht auf eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2013. In dieser wird allerdings wiederum nicht positiv die Vereinbarkeit von § 13a BauGB mit Unionsrecht festgestellt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass es »denkbar« sei, dass eine besondere Art von Plan, der die qualitativen Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 BauGB erfüllt, voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat (Siehe EuGH, Urteil vom 18.04.2013, Az. C-463/11).
Angesichts des klaren Wortlautes der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei der – auch bei § 13a BauGB zugrunde gelegten – Festlegung der privilegierten Pläne nach ihrer Art von vornherein jedwede erhebliche Umweltauswirkung ausgeschlossen sein muss, bestehen jedoch berechtigte Zweifel, ob § 13a BauGB vor dem Bundesverwaltungsgericht bestehen wird. Auch bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung sind schließlich besondere Fallgestaltungen denkbar, beispielsweise sehr große Brachflächen im Innenbereich, die gerade in ländlichen Gemeinden nicht selten anzutreffen sind und beispielsweise als große Hausgärten oder Streuobstwiesen genutzt werden, bei denen eine Überbauung durchaus Umweltauswirkungen haben könnte. Insofern ist der sicherste Weg für Kommunen die Aufstellung von Bebauungsplänen auch im Innenbereich im »normalen« Verfahren – mit allen sich hieraus ergebende Konsequenzen hinsichtlich Dauer und Kosten.
Der Bundesgesetzgeber hat nun mit Wirkung zum 01.01.2024 auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts reagiert: Bereits begonnene, noch laufende Bebauungsplanverfahren nach § 13b BauGB können gemäß dem neu geschaffenen § 215a Abs. 1 BauGB in entsprechender Anwendung des § 13a BauGB abgeschlossen werden. Bereits aufgestellte Bebauungspläne nach § 13b BauGB können gemäß § 215a Abs. 2 BauGB in entsprechender Anwendung des § 13a BauGB im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden. Mit diesen Regelungen ist die Sache jedoch keineswegs erledigt, in der Literatur herrscht die begründete Befürchtung vor, dass die Neuregelung weitere, erhebliche Folgeprobleme verursachen wird.
Direkte Auswirkungen auf die Zulässigkeit einzelner Vorhaben haben das Urteil und die Neuregelung somit keine. Die wirtschaftliche Wagnis liegt in erster Linie bei betroffenen Bauwilligen. Die weiteren Entwicklungen sind daher aufmerksam zu verfolgen.
Stand: 30.01.2024