Open Innovation

Die Zukunft ohne NDA?

Unter dem Stichwort „Open Innovation“ oder „Offene Innovation“ wird überlegt, ob es für den Innovationsprozess, also die Entwicklung von Know-how, Ideen etc., besser ist, sich offen und ohne Restriktionen mit anderen Unternehmen auszutauschen. Dies steht im Gegensatz zu einer „geschlossenen Innovation“, die im Wesentlichen aus rein unternehmensinterner Forschung und Entwicklung besteht. Häufig wird „Open Innovation“ dabei mit einem Verzicht auf Geheimhaltungsvereinbarungen („NDA“) und Kooperationsvereinbarungen gleichgesetzt. Doch gibt es auch bei der Open Innovation Abstufungen, die nachfolgend näher betrachtet werden.

Rechtliche Absicherung der Open Innovation

Rein rechtlich betrachtet ist es für den Schutz von Innovationen, Erfindungen, Ideen, Know-how etc. vorteilhaft, entweder Schutzrechte entstehen zu lassen (z. B. ein Patent oder Gebrauchsmuster anzumelden) oder das Know-how weitest möglich geheim zu halten. Die Geheimhaltung ist insbesondere dann von erheblicher Bedeutung, wenn keine Sonderrechtsschutz (z. B. über ein Patente, Gebrauchsmuster oder das Urheberrecht) möglich ist.

Ein rechtlicher Schutz ist jedoch ohne Belang, wenn es an der Innovation fehlt, die es zu schützen gilt. Daher ist es sinnvoll, den Innovationsprozess soweit zu öffnen, wie es für die Forschung und Entwicklung erforderlich ist. In der extremsten Ausgestaltungsvariante einer offenen Innovation kann auf jeglichen Rechtsschutz verzichtet werden. Soweit dennoch eine wirtschaftliche Orientierung erfolgen soll, kann diese z. B. durch Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung der jeweiligen Innovation bestehen.

Ein Beispiel für eine offene Innovation mag der Betriebssystemkern „Linux“ darstellen, der vollständig im Quellcode öffentlich zugänglich ist und durch unzählige Beiträge Dritter zu einem weltweiten Erfolg des Gesamtsystems geführt hat. Doch bereits in diesem Beispiel ist zu beachten, dass Linux – obwohl quelloffen verfügbar und kostenlos nutzbar – erheblich rechtlich abgesichert ist. Zu nennen ist hier insbesondere die General Public License (GPL), also die für Linux geltenden Nutzungsbedingungen. Diese sehen vor, dass abhängige Werke veröffentlich werden müssen. Es besteht also eine gewisse Verpflichtung zur Fortführung der offenen Innovation. Dies ist jedoch nur durch die rechtliche Absicherung über die GPL möglich. Würde die GPL fehlen, dürfte weder Linux allgemein verwendet werden, weil – im europäischen Rechtsraum – über das Urheberrecht Bearbeitungen, Vervielfältigungen und Verbreitungen automatisch verboten wären. Die GPL gestattet daher einerseits weitere Innovationen anhand des Quellcodes und verpflichtet gleichzeitig dazu, neue Innovationen wiederum allgemein zugänglich zu machen.

Ist also eine Open Innovation ernsthaft gewünscht, sollte dies rechtlich abgesichert werden. Andernfalls stellt eine Partei ihr gesamtes Wissen zur Verfügung und Dritte dürfen dies einseitig zu ihrem Vorteil nutzen.

Abstufungen der Open-Innovation

Open Innovation muss nicht bedeuten, dass auf jegliche rechtliche Absicherung verzichtet wird. Open Innovation kann auch bedeuten, dass man gemeinsamen Entwicklungen offener gegenüber steht. Dies kann sich z. B. im Auftritt gegenüber potentiellen Innovationspartnern äußern. So kann in einem ersten Schritt etwa anstatt einer „einseitig knebelnden“ Geheimhaltungsvereinbarung eine ausgewogene beiderseitige – oder allseitige – Geheimhaltungsvereinbarung vorgeschlagen werden. Zudem kann auf Vertragsstrafen verzichtet werden oder ein eher symbolischer Betrag gewählt werden. Ein derartiges Vorgehen mag bereits genügen, um den offenen Innovationsprozess im Bereich der Forschung und Entwicklung nicht zu stören, aber gleichzeitig eine noch ausreichende rechtliche Absicherung sicherzustellen.

Der Verzicht auf jegliche rechtliche Absicherung mag in einigen Fällen zudem rechtlich verboten sein. So werden gerade bei besonders innovativen Unternehmen, die auf Investoren und Risikokapitalgeber angewiesen sind, vertragliche Verpflichtungen zur Absicherung der entwickelten Innovationen bestehen, sodass sich die erfolgten Investitionen später wirtschaftlich für die Investoren und Risikokapitalgeber „auszahlen“ können. Eine „kostenlose Weggabe“ von Know-how kann in solchen Situationen eine Vertragspflichtverletzung des Geschäftsführers darstellen.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch dann, wenn sie nicht sonderrechtsschutzfähig sind (z. B. als Patent, als Gebrauchsmuster oder als Urheberrecht) rechtlich geschützt sein können. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Geheimnis geheim ist. Daran fehlt es, wenn das Geheimnis Dritten gegenüber ohne Geheimhaltungsvereinbarung offen gelegt wird. Daher sollte schon aus diesem Grund eine zumindest minimale Geheimhaltungsvereinbarung abgeschlossen werden. Andernfalls könnte z. B. ein ausscheidender Mitarbeiter oder ein sonstiger Dritter mit Zugang zu der Innovation diese zu eigenen Zwecken weiter verwerten, ohne die bisherigen Beteiligten einzubeziehen.

Auch können Offenlegungen ohne Geheimhaltungsvereinbarungen eine später von den Innovationspartnern gewünschte, gemeinschaftliche Schutzrechtsanmeldung unterwandern. So ist z. B. für die Anmeldung eines Patents die Neuheit der Erfindung erforderlich. Wenn eine Erfindung zwar nur von zwei oder drei Parteien erfolgt ist, der entsprechende Diskurs jedoch öffentlich (also ohne Geheimhaltung unter den Innovationspartnern) geführt wurde, kann es an der Neuheit für eine Patentanmeldung später fehlen und damit an der Grundlage für eine von allen Innovationspartnern gewünschte, gemeinschaftliche Verwertung.

Schutzrechte als Open Innovation

Dabei ist anzumerken, dass zahlreiche Schutzrechte seit jeher auf eine ausgewogene, offene Innovation ausgelegt sind. So ist es z. B. das Ziel eines Patents, der Weltöffentlichkeit die Erfindung über das Patentregister in allen Einzelheiten offen zu legen, zugleich jedoch dem oder den Erfindern für einen beschränkten Zeitraum die – wenn gewünscht – alleinigen Vergütungsansprüche zuzuweisen, damit die Aufwände für die Innovation ausgeglichen werden können.

Mitunter melden einige Unternehmen daher Patente mit dem alleinigen Ziel an, diese anschließend kostenlos zu lizenzieren. Damit wird verhindert, dass ein weniger besonnener Dritter die Erfindung im eigenen Namen anmeldet und Patentlizenzen nur gegen hohe Vergütungen einräumt.

Fazit

Soll eine offene Innovation ernsthaft betrieben werden, muss dies rechtlich abgesichert werden. Andenfalls besteht das Risiko, dass eine einzelne Partei die Innovation zum Nachteil aller „verschließt“. Offene Innovation ist zudem in Abstufungen möglich. In der Mehrzahl der Fälle wird eine ausreichend offene Innovation möglich sein, obwohl „freundschaftliche“ Geheimhaltungsvereinbarungen und Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen werden, die die Innovation im Interesse aller Beteiligten absichert. Eine vollständige offene Innovation im Sinne einer Offenlegung sämtlicher Ideen gegenüber der Öffentlichkeit kann insbesondere im Falle der Beteiligung von Investoren und Risikokapitalgebern vertragswidrig sein.
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