Prüfungsumfang des Registergerichts bei Geschäftsführerwechsel Kammergerichtsbeschluss vom 05.10.2022 – 22 W 54/22

Die Beschwerde führende GmbH ist seit 2017 im Handelsregister Amtsgerichts Charlottenburg einge-tragen. Mit notariell beglaubigter Handelsregisteranmeldung vom 05.07.2022 hat der neue Geschäfts-führer die Abberufung des alten Geschäftsführers und seine Berufung als einzelvertretungsbefugter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer zur Eintragung angemeldet. Dieser Anmeldung war als Beleg ein Protokoll des entsprechenden Umlaufbeschlusses der Gesellschaf-ter vom 01.07.2022 angefügt der vom neuen und vom alten Geschäftsführer unterzeichnet wurde.

Das Registergericht erließ am 12.08.2022 eine Zwischenverfügung, mit der Begründung, dass die An-lage mangels Unterschriften der Gesellschafter nicht der Form des § 39 Abs. 2 GmbHG genüge. Gegen diese Zwischenverfügung legte die Beschwerdeführerin am 29.08.2022 Beschwerde ein. Der Be-schwerde wurde durch das Amtsgericht nicht abgeholfen und dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Insbesondere ist die Beschwerde zulässig, da nach § 58 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 382 Abs. 4 S. 2 FamFG die Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf gegen eine Zwischenverfügung des Registergerichts ist.

Die vorgeschriebene Form und Frist wurde gewahrt (§§ 64 Abs. 2, 63 Abs. 1 FamFG). Die GmbH ist be-schwerdebefugt da sie aufgrund der Versagung der Eintragung des Geschäftsführerwechsels Be-troffene ist. Der Beschwerdewert wurde gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erreicht.

Die Beschwerde ist auch begründet, da das vom Registergericht geltend gemachte Eintragungshinder-nis nicht besteht. Entgegen der Auffassung des Registergerichts entspricht die sowohl vom alten wie auch vom neuen Geschäftsführer unterzeichnete Handelsregisteranmeldung den Anforderungen des § 39 Abs. 2 GmbHG.

Der Prüfungsumfang des Registergerichts umfasst in formeller Hinsicht darin, ob die eingereichten Un-terlagen vollständig und die Begehr eintragungsfähig ist (vgl. KG, in GmbHR 2012, 907), sowie in ma-terieller Hinsicht zumindest, ob die Änderung in der Person des Geschäftsführers durch die einzu-reichende Urkunde nachgewiesen ist (vgl. KG 16.04.2012 – 25 W 23/12; OLG Hamm vom 7.9.2010 – I-15 W 253/10). Die Änderung der Geschäftsführung der Gesellschaft fällt den Gesellschaftern gem. § 46 Nr. 5 GmbHG zu. Eine Dokumentation dieses Beschlusses ist daher der Anmeldung beizufügen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Registergericht im vorliegenden Fall eine materiell zu umfangreiche Prüfung und dementsprechend zu umfangreiche Nachweispflichten der Beschwerdefüh-rerin auferlegt. Denn das als Anlage eingereichte Protokoll des Beschlusses, unterschrieben durch beide Geschäftsführer, ist für die Dokumentation gegenüber dem Registergericht ausreichend. Insbe-sondere kann das Registergericht mittels der im Protokoll mitgeteilten Tatsachen die ordnungsgemäße Beschlussfassung prüfen.

Die weitergehende Prüfungspflicht zur Amtsermittlung nach §§ 26, 382 FamFG besteht nur dann, wenn die formalen Anforderungen an die eingereichte Handelsregisteranmeldung nicht erfüllt sind oder be-gründete Zweifel an der materiellen Wirksamkeit des eingereichten Beschlusses bestehen. Vorliegend war beides nicht der Fall, das Registergericht war nicht nach § 26, 382 FamFG dazu berechtigt, eine weitergehende Darlegung hinsichtlich des Beschlusses von der Beschwerdeführerin zu fordern. Daher bestand kein Eintragungshindernis durch die Weigerung der Beschwerdeführerin dies zu liefern.

Die Zwischenverfügung wurde folglich vom Kammergericht aufgehoben.

Einordnung und rechtliche Würdigung

Ohne dies ausdrücklich festzustellen, befasst sich das Urteil mit der Auslegung des Begriffs der „Ur-kunde“ aus § 39 Abs. 2 GmbHG. Dieser verlangt die Vorlage von Urkunden durch den Antragsteller gegenüber dem Registergericht. Leider verpasste es der Gesetzgeber diesen Begriff mittels einer Le-galdefinition auszufüllen. Als unbestimmter Rechtsbegriff muss er daher durch die Literatur und die Rechtsprechung entsprechend ausgelegt werden.

Einen Anhaltspunkt bietet § 12 Abs. 2 HGB, der als allgemeine Norm für Anmeldungen zur Eintragung von Anmeldungen zur Auslegung speziellerer Normen über die Verweisung aus § 8 V GmbHG herange-zogen werden kann. Der Begriff der Urkunde taucht hier zwar leider nicht auf, allerdings wird wiederholt der Begriff von Dokumenten verwendet. Insbesondere werden keine spezifischen inhaltlichen Voraus-setzungen an die einzureichenden Unterlagen gestellt. Die Anmeldung muss lediglich bestimmt genug sein, sodass das Register zweifelsfrei die Begehr des Antragsstellers erkennen kann. Die Anmeldung ist dementsprechend auslegungsfähig (vgl. BayObLG Beschl. v. 22.2.1985 – 3 Z BR 16/85, in DB 1985, 1223; Schaub, in EBJS Handelsgesetzbuch, § 12, Rn. 36 f. m. w. N.).

Aus diesem systematischen Vergleich zu § 12 Abs. 2 HGB folgt, dass keine erhöhten inhaltlichen An-forderungen an den Begriff der Urkunde zu stellen sind. Sofern mithin die generellen Formvorschriften an die Unterlagen eingehalten sind, folgt aus dem Begriff der Urkunde kein „mehr“ an Beweiskraft oder Formalität. Dogmatisch wird dies durch die eingeschränkte Kontrolle der Registergerichte i. R. d. EHUG (Gesetz über das elektronische Handelsregister) bestätigt, da selbst ein von den Gesellschaftern unter-schriebenes Dokument mangels notarieller Beglaubigung nicht zum Ausschluss von Missbrauch führen kann.

Daher ist die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu begrüßen. Sie liefert weitere Klarheit hin-sichtlich des Prüfungsumfangs und der Forderungsmöglichkeiten der Registergerichte. Die nur einge-schränkte Prüfungsmöglichkeit der Registergerichte hinsichtlich des materiellen Inhalts von Beschlüs-sen ist auch in der gelebten Praxis wichtig und richtig. Diese dient sowohl der Beschleunigung als auch der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr. Die Unternehmen haben ein gesteigertes Interesse daran, dass das operative Geschäft nicht durch die Registergerichte verzögert wird. Insbesondere die Neube-stellung des Geschäftsführers ist oftmals zeitlich sensibel. Eine zügige Erledigung der Eintragung ist daher wünschenswert.

Daniel Bachmann
Rechtsanwalt

Stand: 20. Nov. 2025