AvP Insolvenz

erste rechtliche Erkenntnisse

Am 15.09.2020 hat das Apothekenabrechenzentrum AvP Deutschland Insolvenzantrag gestellt. Seither ist die Verunsicherung unter den Leistungserbringern groß. Die Insolvenz dieses Zahlungsdienstleisters betrifft viele Apotheken und andere Leistungserbringer in ganz Deutschland; die befürchteten Schäden wegen ausstehender Zahlungen für abzurechnende Rezepte gehen in die Milliarden. Für betroffene Apotheken sowie den (vorläufigen) Insolvenzverwalter aber auch für andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die ihre Abrechnung außer Haus vergeben haben und nicht von der jetzigen Insolvenz (unmittelbar) betroffen sind, kristallisieren sich bereits schwierige Fragen sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht heraus:

  • Stehen die von AvP eingezogenen Gelder für abzurechnende Rezepte der jeweiligen Apotheke zu, die diese Rezepte übersandt hat? Hierzu gibt es nicht nur entscheidende Unterschiede in den jeweils verwendeten AGB von AvP zu beachten sondern auch schwierige juristische Streitfragen zu klären – etwa, wie genau die Anforderungen an ein „echtes“ Treuhandkonto sind, das eine rechtliche Zuordnung der von AvP eingezogenen Beträge zugunsten einzelner Apotheken erlauben würde.
  • Hat AvP überhaupt je gesonderte Konten für eingezogene Gelder eröffnet und offiziell ausgewiesen? Erste Blicke in die Bilanzen schüren insoweit Zweifel, da dort wohl keine Treuhandverhältnisse gesondert ausgewiesen sind – aber auch keine eigenen Bankguthaben in der zu erwartenden Milliardenhöhe. Hier bedarf es also intensiver Detektivarbeit zur Aufklärung des Verbleibs der Gelder – zumal auch der vorläufige Insolvenzverwalter angibt, bisher keine ausdrücklich als solche ausgewiesenen Treuhandkonten vorgefunden zu haben.
  • Wann gingen die einzelnen Forderung der jeweiligen Apotheken gegen den Zahlungspflichtigen im Rahmen der Geschäftsabwicklung tatsächlich an AvP über? Sind eventuell auch schon solche Forderungen übergegangen, bei denen die Rezeptbelege noch in der Apotheke sind, die Rechnungsdaten aber bereits an AvP übertragen wurden? In welchen Fällen kann ein Forderungsübergang u.U. noch gestoppt oder angegriffen werden?
  • Was passiert mit den übersandten Rezepten, die noch nicht von AvP bearbeitet wurden? Ist wenigstens sichergestellt, dass Apotheken Zugriff auf die Geldbeträge erhalten, die erst künftig vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingezogen werden?
  • Können die Rezepte vom vorläufigen Insolvenzverwalter zurück gefordert werden und wie realistisch ist es, dass er diese tatsächlich zeitnah zurück sendet?
  • Welche Ansprüche gibt es möglicherweise gegen zahlungsfähige Dritte? Kann man u.U. eine nochmalige Bezahlung vom Zahlungspflichtigen fordern? Sind Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer von AvP denkbar, weil in deren Bilanzen keine Treuhandverhältnisse ausgewiesen waren (obwohl dies nach dem Geschäftsmodell von AvP zu erwarten gewesen wäre)?
  • Wie wirkt es sich aus, wenn Apotheken noch ältere Verträge mit vormals selbständigen AvP-Tochtergesellschaften (AvP Hünxe, AvP Süd, AvP Nord etc.) haben, die zwischenzeitlich teilweise auf die insolvente AvP Deutschland GmbH verschmolzen sind, teilweise aber noch unter der (nicht insolventen) Firma AvP Dienstleistung GmbH firmieren?
  • Welche steuerlichen Auswirkungen hat die Insolvenz? Kann ich einen Forderungsausfall geltend machen? Was muss ich in den Ausfallmonaten als Sollversteuerer verbuchen? Wie sichere ich die bislang nur beim Dienstleiter vorhandenen Abrechnungsunterlagen, v.a. Rechnungskopien?
  • Kann man Retaxierungen von Rezepten, die in ggf. in die Insolvenzmasse fallen, abwehren? Was bedeutet v.a. bei Krankenhausapotheken ein eventueller Ausfall für die laufenden und künftigen Rückforderungen von Krankenversicherungen auf vermeintlich zu viel bezahlte Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel?
  • Was muss bei einem Wechsel des Anbieters beachtet werden? Wie insolvenzfest sind die AGB anderer Zahlungsdienstleister und wie ist sichergestellt, dass dort nicht nur nach der „Papierform“, sondern auch in der Realität diejenigen Sicherungsmaßnahmen eingehalten werden, die erforderlich sind, um alle für die Apotheken eingezogenen Gelder vor Insolvenzgefahren zu schützen?

Diese und viele weitere Fragen bedürfen einer genauen Prüfung im Einzelfall – da erste Erfahrungen mit AvP-Fällen zeigen, dass es bereits erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, überhaupt zu ermitteln, mit wem und auf Grundlage welcher AGB kontrahiert wurde. Auch Leistungserbringer, die sich eines anderen Abrechnungs-Dienstleisters bedienen, sollten dessen Insolvenzabsicherung prüfen.

VOELKER berät und vertritt seit jeher in Insolvenzverfahren Gläubiger bei der Forderungsanmeldung und -Durchsetzung, insbesondere bei komplexen Großverfahren der vorliegenden Art. Wir bieten aufgrund unserer breiten Expertise sowohl im Bereich der Forderungsdurchsetzung als auch im Medizin- und Steuerrecht das notwendige Know-How um betroffene Apotheken bei der Klärung der obigen Fragen kompetent zu begleiten – und sicherlich auch kreative, praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.

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