Outsourcing im Krankenhaus?
Entscheidung des BSG vom 27.04.2022
Sachverhalt
Das klagende Krankenhaus ist im Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg mit einer Abteilung für Strahlenschutz aufgenommen. Diese Abteilung wurde jedoch schon vor Jahren geschlossen, woraufhin das Krankenhaus mit einer ambulanten Strahlentherapiepraxis eine Kooperation über die Erbringung von strahlentherapeutischen Leistungen schloss. Die Strahlentherapiepraxis befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus.Im Jahr 2010 wurde eine an Brustkrebs erkrankte Patientin stationär aufgenommen. Während des stationären Aufenthalts wurden von der Strahlentherapiepraxis strahlentherapeutische Leistungen erbracht. Hierfür zahlte das Krankenhaus der Praxis einen Betrag von rund 1.600 EUR. Gegenüber der Krankenkasse machte das Krankenhaus eine Vergütung von rund 7.500 EUR geltend, wovon rund 4.000 EUR auf die strahlentherapeutischen Leistungen entfielen. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung der Vergütung für die strahlentherapeutischen Leistungen.
Entscheidung des BSG
Das BSG entschied zu Gunsten der Krankenkasse:
„Zwar können Krankenhäuser auch Leistungen Dritter abrechnen, die für Behandlungen von ihm veranlasst wurden. Das Gesetz erlaubt es jedoch nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der von seinem Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagert, die nicht in seine Organisation eingegliedert sind. Das Krankenhaus hat für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme et cetera) die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentlich sind dabei alle Leistungen, die in der jeweiligen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind - mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologischer Untersuchungen.“
Die Kernaussage ist, dass das Krankenhaus die räumliche, apparative und personelle Ausstattung selbst vorzuhalten habe: Ein Outsourcing oder eine Kooperation mit anderen Krankenhäusern oder dem ambulanten Sektor in den im Versorgungsvertrag ausgewiesenen Bereichen würde nach dieser Entscheidung zur Nichtabrechenbarkeit der erbrachten Leistungen führen. Die ausführliche Urteilsbegründung liegt jedoch noch nicht vor. Das BSG führt jedoch eine bereits im Jahr 2011 eingeschlagene Linie fort: In seinem Urteil vom 23.03.2011 (B 6 KA 11/10 R) führte das Gericht aus, dass Gründe der Qualitätssicherung und der Transparenz dafür sprechen, dass Krankenhausleistungen nicht von Dritten erbracht werden dürfen:
„Die Vorgabe, dass die Leistungserbringung des Krankenhauses grundsätzlich durch dessen eigenes Personal erfolgen soll, entspricht auch dem Ziel der Qualitätssicherung; denn bei eigenem Personal, das in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses eingebunden ist, kann am ehesten davon ausgegangen werden, dass dieses nach dem Maßstab höchstmöglicher Qualifikation ausgewählt, angeleitet und überwacht wird. Auch der Gesichtspunkt der Transparenz der Leistungserbringung aus der Perspektive des Patienten spricht für diese Sicht. Entscheidet dieser sich dafür, eine ambulante Operation im Krankenhaus und nicht in einer ambulanten Vertragsarztpraxis durchführen zu lassen, so dürfte er typischerweise die Erwartung haben, von einem Arzt des Krankenhauses operiert zu werden, der dort fest angestellt und an der stationären Versorgung beteiligt ist. Schließlich entspricht es auch dem gesetzlichen Regelfall, dass Krankenhäuser mit eigenem Personal arbeiten.“(BSG, Urteil vom 23.03.2011 – B 6 KA 11/10 R, Rn. 59)
Widerspruch zu einer Entscheidung des BVerwG?!
Das BSG setzt sich mit dieser Entscheidung offen in Widerspruch zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020: Mit Urteil vom 26.02.2022 (3 C 14.18) kam das BVerwG in einem Verfahren, in dem es um die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan ging, zu dem Ergebnis, dass ein Krankenhaus seine Leistungen auch mit ärztlichem Personal sicherstellen darf, das von einem anderen Krankenhaus im Rahmen einer Kooperation zur Verfügung gestellt wird. Hier hatte ein Krankenhaus gar kein eigenes ärztliches Personal für die Kernleistungen, sondern ließ sich dieses von der nahegelegenen Universitätsklinik im Rahmen einer Kooperation im Wege der Arbeitnehmerüberlassung stellen.Das BVerwG hob hervor, dass durch § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV und § 2 Abs. 3 BPflV sowie § 2 Abs. 3 KHEntgG die gesetzlichen Voraussetzungen für Kooperationen zwischen dem ambulanten Sektor und Krankenhäusern geschaffen wurden. Es müsse im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen lediglich eine ordnungsgemäße Patientenversorgung sichergestellt werden.
Demgegenüber geht das BSG nunmehr davon aus, dass das Krankenhaus für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche „die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten“ habe. Das ist das Gegenteil von dem, was das BVerwG entschied!
Rechtsunsicherheit für Krankenhäuser
Für Krankenhäuser besteht somit eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da man in der Zusammenschau dieser beiden Urteile zu folgendem paradoxen Ergebnis kommt: Nach der Rechtsprechung des BVerwG können sie in solchen Konstellationen zwar in den Krankenhausplan aufgenommen werden – nach der Rechtsprechung des BSG die erbrachten Leistungen der Ärzte jedoch nicht abrechnen.Es bleibt abzuwarten, wie das BSG seine Entscheidung – die bislang nur als Pressemitteilung veröffentlicht wurde – begründet. Krankenhäuser sollten ihre bestehenden Kooperationen mit anderen Krankenhäusern und dem ambulanten Sektor auf die Übereinstimmung mit dem neuen BSG-Urteil überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Das Ergebnis des BSG steht in einem Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerwG und wäre damit eigentlich ein Fall für den großen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, da hier ein Bundesgericht maßgeblich und zudem mit hoher Praxisrelevanz von einer Rechtsauffassung eines anderen Bundesgerichts abweicht.
Stand: 05.05.2022