Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung

Zum 02.12.2024 ändert sich die Verordnungsfähigkeit von Verbandmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Wundversorgung. Hersteller von Verbandmitteln sollten prüfen, ob die von ihnen hergestellten Produkte weiterhin als Verbandmittel verordnet werden können oder ob sie unter die neu geschaffene Kategorie der sonstigen Produkten zur Wundbehandlung fallen.

Begriff der Verbandmittel

Der Begriff der Verbandmittel wird in § 31 Abs. 1a SGB V legal definiert. Dort heißt es:
„Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. […] Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss […]“
Hieraus lassen sich folgende Kategorien von Produkten zur Wundbehandlung gewinnen:
  • „klassische“ Verbandmittel
  • Verbandmittel mit ergänzender Eigenschaft
  • Sonstige Produkte zur Wundbehandlung

Abgrenzung durch G-BA in Arzneimittelrichtline

Die nähere Regelung der Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien wurde dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zugewiesen. Dem kam der G-BA mittlerweile durch eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie nach. Dort ist die Abgrenzung zwischen den Produktkategorien in §§ 52-54 detailliert geregelt.

Verbandmittel mit ergänzender Wirkung

So findet sich in § 53 Abs. 3 S. 3 Arzneimittel-Richtlinie eine Definition der Verbandmittel mit ergänzender Wirkung:
„[Verbandmittel mit ergänzender Wirkung] zeichnen sich durch eine Beschaffenheit aus, die ergänzend zu den Zwecken nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 [Wundbedeckung, Aufsaugen von Flüssigkeit, Stabilisierung/Immobilisierung/Komprimierung] ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper, eine möglichst physiologische und damit die natürliche Wundheilung unterstützende Umgebung schafft (ergänzende Eigenschaft).“
Die Hauptwirkung des Mittels muss also weiterhin in der Wundbedeckung, dem Aufsaugen von Flüssigkeit oder der Stabilisierung, Immobilisierung oder Komprimierung liegen. Die ergänzende Wirkung muss darin liegen, eine möglichst physiologische und damit die natürliche Wundheilung unterstützende Umgebung zu schaffen. Im Gesetz genannt sind dabei die folgenden ergänzenden Eigenschaften:
  • Wunde feucht halten
  • Reinigung
  • Geruchsbindung
  • Antimikrobielle Wirkung
  • Metallbeschichtung
Diese Aufzählung ist nicht abschließend. So hat der G-BA im Anhang Va zur Arzneimittelrichtlinie beispielsweise auch die antiadhäsive Eigenschaft, die ein Verkleben des Verbands mit der Wunde verhindert bzw. einen atraumatischen Verbandwechsel ermöglicht als ergänzende Eigenschaft anerkannt. Die antiadhäsive Eigenschaft ist nicht ausdrücklich im Gesetz genannt. Verbandsmittelhersteller sollten daher prüfen, ob ihr Produkt eine der vorgenannten Eigenschaften erfüllt oder eine andere vergleichbare Eigenschaft vorweist und dies entsprechend begründen können. Die Eigenschaft muss den Zweck erfüllen, eine möglichst physiologische und damit die natürliche Wundheilung unterstützende Umgebung zu schaffen. Eine beispielshafte Zuordnung von Produkten zu den einzelnen Eigenschaften findet sich im Anhang Va zur Arzneimittelrichtlinie.

Auffällig ist auch, dass es sich bei der im Gesetz genannten Metallbeschichtung um keine Eigenschaft handelt, sondern das Produkt an sich beschreibt. Der Begriff der Metallbeschichtung wird daher einengend dahingehend auszulegen sein, dass die Metallbeschichtung einen heilungsfördernden Effekt hat und nicht bspw. nur die Außenfläche des Verbands stabilisiert.

Keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise

Negativ darf das Verbandsmittel keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper entfalten. Sobald dies der Fall ist, handelt es sich um ein sonstiges Produkt zur Wundbehandlung.

Zu beachten ist, dass das Gesetz nicht darauf abstellt, ob der Hersteller dem Produkt eine entsprechende Zweckbestimmung beimisst, sondern § 31 Abs. 1a SGB V so konzipiert ist, dass es objektiv auf das Vorliegen der pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkungsweise ankommt. Maßgeblich ist also nicht die Wirkungsweise, die dem Produkt von Seiten des Herstellers zugeschrieben wird, sondern die, die es objektiv entfaltet. Selbst wenn also beispielsweise ein Produkt ohne entsprechende Intention des Herstellers eine pharmakologische Wirkung entfaltet, verliert es seinen Status als Verbandmittel und wird zum sonstigen Mittel zur Wundbehandlung.

Eine pharmakologische Wirkung liegt vor bei einer typischerweise auf molekularer Ebene stattfindenden Wechselwirkung zwischen einem Stoff oder seinen Metaboliten und einem Bestandteil des menschlichen Körpers (Zellen oder deren Bestandteile, Blutbestandteile o.ä.), die zur Auslösung, Verstärkung, Verringerung oder Blockierung von physiologischen Funktionen oder pathologischen Prozessen führt. Immunologische Wirkung bezeichnet eine Wirkung im oder am Körper durch Stimulierung und/oder Mobilisierung von Zellen und/oder ihrer Produkte, die an einer speziellen Immunreaktion beteiligt sind. Metabolische Wirkung bezeichnet eine Wirkung, einer Substanz oder ihrer Metaboliten, auf einen biochemischen Prozess, der an der normalen Körperfunktion beteiligt ist oder diese unterstützt. Zu denken ist an das Starten, Stoppen oder Verändern eines solchen Prozesses.

MDCG 2022 – 5, S. 5 ff.

Hier müssen also Verbandmittelhersteller prüfen, ob ihr Produkt eine der vorgenannten Wirkungsweisen entfaltet. Wenn das der Fall ist, ist das Produkt grundsätzlich von der Verbandmittel-Versorgung ausgeschlossen und muss erst durch einen Beschluss des G-BA wieder hierin einbezogen werden.

Sonstige Produkte zur Wundbehandlung

Sonstige Produkte zur Wundbehandlung sind alle anderen Produkte, die weder den Verbandmitteln noch den Verbandmitteln mit ergänzender Eigenschaft zuzuordnen sind (bspw. nicht formstabile Zubereitungen, wie Gele, Cremes oder Salben zur Wundabdeckung). Die rechtlichen Folgen der Zuordnung sind immens: Während Verbandmittel und Verbandmittel mit ergänzender Eigenschaft weiterhin zu Lasten der GKV verordnet werden können, ist dies für die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung anders: Diese Produkte sind grundsätzlich nicht in die GKV-Versorgung einbezogen. Sie können ausnahmsweise verordnet werden, wenn der G-BA sie analog zur Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten in die Versorgung mit einbezogen hat.

Dies erfordert einen Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes solcher Produkte anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und gegebenenfalls weiterer Literatur. Das folgt aus § 40 Abs. 1 im vierten Kapitel der Verfahrensordnung des G-BA. Dort heißt es weiter:

„Auf der Basis systematischer Literaturrecherchen ist nachzuweisen, dass ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über ein diagnostischen oder therapeutischen Nutzen des Medizinproduktes zur Behandlung der Erkrankung besteht.“
Ein Verbandsmittel ist zudem nur medizinisch notwendig (s. § 39 im vierten Kapitel der Verfahrensordnung des G-BA), wenn

  • es entsprechend seiner Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V und § 28 AM-RL geeignet ist,
  • eine diagnostische oder therapeutische Interventionsbedürftigkeit besteht,
  • der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und
  • eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist.
Die Hürde für moderne Mittel der Wundbehandlung, um die Erstattungsfähigkeit zu Lasten der GKV zu erlangen, wird damit sehr hoch gesetzt. Die Beweislast für die entsprechenden Nachweise trägt der Hersteller. Der BVMed geht in einer Stellungnahme davon aus, dass mehr als 400 Produkte ihren bisherigen Status als Verbandmittel und damit ihre Erstattungsfähigkeit verlieren werden.

Hersteller sollten daher frühzeitig prüfen, in welche der drei Kategorien ihre Produkte einzuordnen sind, da hiervon die Erstattungsfähigkeit ihrer Produkte abhängt.

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