Wesentliche Veränderung der Zweckbestimmung oder der Auslegung eines Medizinprodukts

Legacy-Devices dürfen seit der Änderungsverordnung der MDR vom 23.03.2023 gemäß den neuen Übergangsbestimmungen der MDR (Art. 120 MDR) weiterhin in Verkehr gebracht werden, wenn und solange keine wesentliche Veränderung der Zweckbestimmung oder der Auslegung vorgenommen wurde. Daher stellt sich vor dem Hintergrund des neuen Art. 120 Abs. 3c lit. b MDR die Frage, wann eine Veränderung der Zweckbestimmung bzw. der Auslegung „wesentlich“ ist.

Rechtlicher Hintergrund

Gemäß Art. 120 Abs. 3c lit. b MDR dürfen Legacy-Devices nur so lange weiterhin in Verkehr gebracht werden, wie keine „wesentlich Veränderung“ der Zweckbestimmung und der Auslegung an ihnen vorgenommen wurde. Trotz des Wortlauts des Art. 120 Abs. 3c lit. b MDR, der darauf hindeutet, dass eine Veränderung der Zweckbestimmung und der Auslegung vorliegen muss, wird es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift bereits ausreichen, wenn entweder die Zweckbestimmung oder die Auslegung wesentlich verändert wird.

Die MDR gibt nicht vor, wann eine Veränderung wesentlich oder unwesentlich ist oder was unter einer „Veränderung“ zu verstehen ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe, die auszulegen sind.

Auslegungshinweise der Medical Device Coordination Group (MDCG)

Als Orientierung können die Hinweise der MDCG dienen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um Rechtsmeinungen eines inoffiziellen Gremiums, die weder für Behörden noch Gerichte eine Bindungswirkung entfaltet. Aus dem MDCG 2022-6 (Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD) geht hervor, dass eine Änderung der Zweckbestimmung in der Regel dann wesentlich ist, wenn die Zweckbestimmung erweitert wird. Zu denken ist beispielsweise an die Ausweitung der Zweckbestimmung um eine weitere Indikation oder auf eine weitere Patientengruppe. Wird hingegen die Zweckbestimmung eingeschränkt, ist die Veränderung in der Regel unwesentlich.

Im Hinblick auf die Veränderung der Auslegung wird von der MDCG dargestellt, dass Auslegungsänderungen, die im Rahmen von korrektiven Sicherheitsmaßnahmen eines Herstellers durchgeführt wurden, keine wesentlichen Veränderungen sind. Dies folgt aus dem Umstand, dass auch für die Legacy-Produkte ein Marktüberwachungs- und Vigilanz-System nach Maßgabe der MDR eingerichtet werden muss (Art. 120 Abs. 3d MDR n.F.). Demgemäß durchgeführte Korrekturmaßnahmen können an der Verkehrsfähigkeit nichts ändern, denn der Sinn und Zweck der Übergangsvorschriften für Legacy-Devices ist, die Verkehrsfähigkeit dieser Produkte für einen Übergangszeitraum zu erhalten.

Änderung der Risikoklasse

Eine Änderung der Risikoklasse „nach unten“ ist dementsprechend keine wesentliche Änderung der Zweckbestimmung, wenn und soweit dies mit einer Einschränkung der Zweckbestimmung einher geht.

Gleichzeitig muss auch nicht jede Änderung der Risikoklasse „nach oben“ eine wesentliche Änderung der Zweckbestimmung darstellen: So wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur (überzeugend) vertreten, dass eine Höherklassifizierung solcher Produkte, die beispielsweise unter der MDD der Klasse I zuzuordnen waren und nun nach der MDR in die Klasse IIa fallen, keine wesentliche Veränderung darstellt, da keine Veränderung am Produkt vorgenommen wurde, sondern die Höherklassifizierung kraft Gesetzes eintrat.

Keine wesentlichen Veränderungen

Keine wesentlichen Veränderungen sind auch all die Veränderungen, die weder die Zweckbestimmung, noch die Auslegung betreffen, wie zum Beispiel bestimmte Änderungen im Qualitätsmanagement oder rein ästhetische Änderungen an den Produkten (z.B. die Farbe des Produkts oder dessen Dimensionen).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Hersteller vor einer Veränderung ihrer Legacy-Devices stets im jeweiligen Einzelfall prüfen müssen, ob die Veränderung die Zweckbestimmung oder die Auslegung betrifft und wenn dies der Fall ist, weiter prüfen müssen, ob die Veränderung wesentlich ist.

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