Screen-Scraping / Web-Crawler

Rechtliche Zulässigkeit und Rahmenbedingungen

Sind Screen-Scraping und Web-Crawling rechtlich erlaubt, also das automatisierte Abgreifen von Inhalten fremder Webseiten und Überführen der so erhaltenen Daten in ein eigenes System zur weiteren, eigenen Verwendung?

Beispiel

Das Unternehmen S möchte ein Preisvergleichsportal aufbauen. Hierzu erstellt S ein Skript, über das verschiedene Webseiten Dritter automatisiert nach Produkten und deren Preisen durchsucht und die Ergebnisse in einer Datenbank von S gespeichert werden. S bietet die Inhalte sodann auf einer eigenen Webseite an, die Kunden durchsuchen können. Die Kunden werden gegebenenfalls per Hyperlink auf die jeweiligen Angebote der Dritten weitergeleitet.

Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?

Es können viele rechtliche Aspekte erwogen werden. Maßgeblich zu beachten sind jedoch:
  • das Wettbewerbsrecht gemäß dem UWG
  • das Recht als Datenbankhersteller gemäß §§ 87a ff. UrhG
  • die AGB oder Nutzungsbedingungen der Drittseiten
  • ein „virtuelles Hausrecht“ auf Webseiten
  • die Umgehung technischer Schutzmechanismen
  • Anforderungen ausländischen Rechts

Das Wettbewerbsrecht gemäß dem UWG

Das Wettbewerbsrecht ist maßgeblich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt und enthält zahlreiche Tatbestände, die ein unlauteres Verhalten im Markt verbieten. So dürfen Mitbewerber gem. § 4 Nr. 10 UWG z. B. nicht gezielt behindert werden.

Ob eine solche gezielte Behinderung beim Screen-Scraping / Web-Crawling vorliegt, beurteilt sich auch nach der jeweiligen Marktsituation und z. B. danach, ob – im Beispiel – das Unternehmen S gezielt und in Verdrängungsabsicht einen bestimmten Dritten in seiner Entfaltung auf dem Markt behindert oder – und dies dürfte vorliegend genauer zu prüfen sein –, ob der Dritte, dessen Inhalte per Screen-Scraping / Web-Crawling abgegriffen werden, seine Leistungen am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Letzteres könnte z. B. dann näher zu prüfen sein, wenn – im obigen Beispiel – Kunden die Drittseite nicht mehr besuchen, sondern nun ausschließlich noch die neue Webseite des Unternehmens S.

In einem Urteil aus 2014 hat der BGH im Falle eines Screen-Scrapings / Web-Crawlings von der Seite einer Fluggesellschaft eine gezielte Behinderung in der dortigen Situation jedoch verneint.

Rechte als Datenbankhersteller gemäß §§ 87a ff. UrhG

Eine Datenbank ist über das Urheberrechtsgesetz eigenständig geschützt. Eine Datenbank ist u. a. gegeben, wenn
  • eine Sammlung von Daten vorliegt,
  • die systematisch oder methodisch angeordnet sind und
  • die einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind und wenn ferner
  • die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Daten eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.
Wichtig ist, dass die Daten keine besondere Qualität oder Eigenschaft haben müssen. Zentral ist vielmehr, dass die Zusammenstellung eine gewisse Investition (insbesondere eine finanzielle Investition) erfordert hat. Schutzgegenstand sind also weniger die Daten selbst als vielmehr die Investition in die Zusammenstellung.

Die Daten, die von den fremden Webseiten abgegriffen werden, können Teil einer solchen Datenbank sein. Im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Screen-Scrapings / Web-Crawlings ist daher in einem ersten Schritt anhand der konkreten Webseite zu prüfen, ob wirklich eine Datenbank in diesem Sinne vorliegt, ob also z. B. tatsächlich wesentliche Investitionen erfolgt sind.

Weiter ist das Recht des Datenbankherstellers nicht unbegrenzt. Es gibt vielmehr Schranken. Eine im betrachteten Beispielsfall besonders relevante Schranke ist, dass dem Datenbankhersteller nur das Recht zusteht, die Nutzung der Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu verbieten. Im Umkehrschluss ist die Nutzung unwesentlicher Teile (nach Art oder Umfang betrachtet) zulässig. Selbst wenn also im ersten Schritt eine Datenbank vorliegt, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob durch das Screen-Scraping / Web-Crawling mehr als nur eine nach Art oder Umfang unwesentliche Nutzung (genauer: Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe) erfolgt.

Was ist die Grenze zwischen einer unwesentlichen Nutzung und einer wesentlichen Nutzung? Rechtlich existieren hierzu keine klaren Grenzen. Zunächst ist dabei zu beachten, dass die Nutzung der Art oder dem Umfang nach unwesentlich sein muss. Damit sind ein qualitativer und ein quantitativer Aspekt angesprochen. Gerade beim qualitativen Aspekt wird es stets schwer fallen, eine klare Grenze zu finden, da der Maßstab für die Qualität überhaupt erst festgelegt werden muss. Auch hinsichtlich einer quantitativen Grenze wird sich eine genaue Grenze kaum pauschal finden lassen. Dies zeigt sich bereits daran, dass hierzu zunächst der Umfang der betrachteten Datenbank zu klären ist. Wie ist dabei z. B. mit relationalen Datenbanken umzugehen, die in mehrere, verbundene Einzeltabellen oder -datenbanken aufgespalten sind: Ist dann der Bezugspunkt die einzelne Tabelle oder die gesamte Datenbank?

In der Rechtsprechung wurden mitunter jedoch Zahlen genannt, insbesondere eine Grenze von 10 %. So ist der BGH z. B. in einem Urteil aus 2011 davon ausgegangen, dass die quantitative Nutzung einer Datenbank von bis zu 10 % jedenfalls noch keine wesentliche Nutzung darstelle. Das OLG Köln hat in einem anderen Fall angenommen, dass eine Nutzung von 10 % jedoch einen qualitativ wesentlichen Umfang darstelle, jedenfalls in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall.

AGB oder Nutzungsbedingungen der Drittseiten

Weitere Rahmenbedingungen, die beim Screen-Scraping / Web-Crawling zu beachten sind, können sich aufgrund der AGB oder sonstigen Nutzungsbedingungen der fremden Webseite ergeben oder – soweit vorhanden – aus sonstigen Verträgen mit dem Dritten. Aus diesen Vertragsbedingungen können sich vertragliche Verbote ergeben, über die sogar vorgesehen werden kann, dass Auswertungen nicht erfolgen dürfen, selbst wenn keine Datenbank vorliegt und lediglich eine unwesentliche Nutzung erfolgt. Möglicherweise ergeben sich zudem Geheimhaltungsverpflichtungen aus den vertraglichen Regelungen, die zu beachten sind. Es bedarf daher einer genauen Prüfung von solchen vertraglichen Regelungen. Die Prüfung hat sich dabei auch darauf zu beziehen, ob die AGB oder Nutzungsbedingungen überhaupt wirksam vereinbart worden sind. Denn die bloße Wiedergabe von Vertragsbedingungen im „Impressum“ oder under dem Hyperlink „AGB“, ohne weitergehende Einbeziehungsmaßnahme, führt in aller Regel nicht zur wirksamen Vereinbarung. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die vertraglichen Regelungen überhaupt rechtswirksam formuliert sind.

„Virtuelles Hausrecht“ auf Webseiten

In der Vergangenheit wurde zudem versucht, Rechte als Webseitenbetreiber aus einem „virtuellen Hausrecht“ abzuleiten. Ein spezielles „virtuelles Hausrecht“ existiert rechtlich jedoch nicht und – soweit vorliegend relevant – ist es bislang nicht gelungen, hieraus gesonderte Rechte im Hinblick auf ein Screen-Scraping / Web-Crawling abzuleiten.

Umgehung technischer Schutzmechanismen

Wichtiger ist, ob rein technisch beim Screen-Scraping / Web-Crawling technische Schutzmaßnahmen umgangen werden. Dies ist ein Aspekt, der sowohl im Bereich des Wettbewerbsrechts, im Bereich des Urheberrechtsgesetzes sowie im Falle einer vertraglichen Beziehung zu würdigen ist. Dabei ist auch zu beachten, dass rechtlich wesentlich rascher eine Schutzmaßnahme vorliegt, die umgangen werden könnte, als dies bei einer rein technischen Betrachtung angenommen werden dürfte. Bereits bei der Verwendung eines „Deep-Links“ kann aufgrund der bisherigen Rechtsprechung zu prüfen sein, ob eine Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen vorliegt.

Ausländisches Recht

Ein Screen-Scraping und Web-Crawling mag sich rasch auf Webseiten von Unternehmen mit Sitz jenseits der Landesgrenzen beziehen. Es kann dann auch das jeweils ausländische Recht zu beachten sein.

Fazit

Screen-Scraping und Web-Crawling sind nach der Rechtsprechung möglich. Allerdings besteht keine pauschale Freigabe. Vielmehr muss eine Betrachtung der jeweiligen Dritt-Webseite erfolgen, auch wenn dies mit der Technik schwer in Einklang zu bringen ist, da das Skript oder Programm jeweils gleich abläuft. Es werden sich jedoch – je nach genauem Anliegen – stets gewisse Rahmenbedingungen oder Grenzen identifizieren lassen, die bei der Ausgestaltung des Geschäftsmodells berücksichtigt werden können, um so zumindest das rechtliche Risiko deutlich zu senken. Dabei kann auch die prozessuale Betrachtung eine maßgebliche Rolle spielen und die Klärung, wie sinnvoll auf etwaige Abmahnungen, Eilverfahren oder Klagen reagiert wird.

Update (2021): Inzwischen wurde das UrhG geändert und ein neuer § 44b UrhG (und u. a. auch § 87c Abs. 1 Nrn. 4 und 5 UrhG sowie § 95b Abs. 1 Nrn. 1 UrhG) für Text- und Data-Mining eingeführt, also die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Ein solches Text- und Data-Mining ist grundsätzlich erlaubt, wenn die Ausgangsdaten wieder gelöscht werden. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass sich der Rechtsinhaber die Nutzung nicht vorbehalten hat, wobei ein solcher Nutzungsvorbehalt online nur wirksam ist, wenn er in maschinenlesbarer Form hinterlegt wurde. Trotz dieser Einschränkung wird ein automatisiertes Text- und Data-Mining damit nun klarer ermöglicht. Allerdings ist noch ungeklärt, inwieweit sich Verbote unter anderen Aspekten (wie im Beitrag oben dargestellt) ergeben können, da es sich bei § 44b UrhG um eine lediglich urheberrechtliche Regelung handelt. Im Falle einer rein wissenschaftlichen Verwertung ergeben sich jedoch weitergehende Möglichkeiten.

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