Die (elektronische) Patientenakte: Recht auf Einsicht und Befüllung

In der Patientenakte werden sämtliche relevante ärztliche Maßnahmen dokumentiert. Gemäß § 630g BGB haben Patienten das Recht, Einsicht in ihre Patientenakte zu nehmen. Dieses Recht ist eine konkrete Ausgestaltung des Prinzips der informationellen Selbstbestimmung. Allerdings ist das Einsichtsrecht nicht grenzenlos, sondern kann im Einzelfall vom Behandelnden verweigert werden. Solche Verweigerungen sind gerechtfertigt, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter einer Einsichtnahme entgegenstehen.

Im Zuge der Digitalisierung tritt nun die elektronische Patientenakte (ePA) – die ab dem kommenden Jahr gesetzlich Versicherten automatisch zur Verfügung steht, sofern sie nicht explizit widersprechen – zunehmend an die Stelle der arztgeführten Patientenakte. Bei der ePA, als Kernelement der Telematikinfrastruktur (TI), liegt anders als bei der arztgeführten Variante die Datenhoheit beim Patienten selbst, vgl. § 341 Abs. 1 S. 1 SGB V. Die Patienten haben nach § 346 SGB V Anspruch auf Unterstützung bei der Befüllung der ePA. Dieser Anspruch wird aber durch die Verweigerungsrechte nach § 630g BGB entsprechend begrenzt.

Einsichtnahme und -begehren

Der Patient hat ein schutzwürdiges Interesse an der Verwendung seiner Gesundheitsdaten, insbesondere an der Erhebung dieser Daten und der Bewertung seines Gesundheitszustands. Gemäß § 630g Abs. 1 BGB hat der Patient daher das Recht auf Einsicht in seine Patientenakte.

Das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte ist auf Verlangen des Patienten zu gewähren. Ein besonderes rechtliches Interesse ist hierfür nicht erforderlich. Gemäß § 630g BGB hat grundsätzlich der Patient selbst Anspruch auf Einsicht in seine Patientenakte.

Dieses Akteneinsichtsrecht wird aber nicht schrankenlos anerkannt, was sich in § 630g Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB niederschlägt: „Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.“

Umfang des Einsichtsrechts

Primär berechtigt § 630g Abs. 1 S. 1 BGB zur Einsicht in die vollständige Patientenakte. Davon sind alle darin enthaltenen Dokumente umfasst, wozu medizinische, objektivierte Befunde, Berichte über Behandlungsmaßnahmen, Operationen und die Medikation gehören. Auch die Schilderungen subjektiver Wahrnehmungen und persönlicher Eindrücke des Behandelnden sind grundsätzlich Teil der Patientenakte.

Das Recht auf Einsichtnahme kann im Einzelfall aber auch verweigert werden, wenn Rechte Dritter oder erhebliche therapeutische Gründe dies erfordern. Jedoch sind hohe Anforderungen an die therapeutischen Gründe zu stellen. Therapeutische Gründe stehen einer Einsichtnahme in die Patientenakte regelmäßig nur dann entgegen, wenn die Einsichtnahme zu einer Gefährdung der Gesundheit des Patienten führen würde.

Dabei ist stets eine individuelle Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den entgegenstehenden therapeutischen Gründen vorzunehmen. Nach § 630g Abs. 1 S. 2 BGB muss eine ablehnende Entscheidung zur Einsichtnahme begründet werden. Im Falle des Versterbens des Patienten gelten die Regelungen des § 630g Abs. 3 BGB.

Abschrift der Patientenakte

Gemäß § 630g Abs. 2 S. 1 BGB kann der Patient eine Abschrift seiner Patientenakte verlangen. Die Kostenregelung nach § 630g Abs. 2 S. 2 BGB ist seit dem Urteil des EuGH vom 26.10.2023 (Az.: Rs C – 307/22) nicht mehr anzuwenden. Gemäß Art. 15 DS-GVO hat jede betroffene Person das Recht, eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten, die gemäß Art. 12 Abs. 5 S. 1 DS-GVO kostenfrei bereitgestellt werden muss. Die erstmalige Auskunftserteilung ist kostenfrei, nur für zusätzliche Kopien dürfen nach Art. 15 Abs. 3 S. 2 DS-GVO Gebühren erhoben werden.

Postmortal findet § 630g Abs. 2 BGB hingegen uneingeschränkt Anwendung. Die DS-GVO kennt keinen postmortalen Datenschutz, sodass sich Erben und Angehörige nicht auf Art. 15 DS-GVO berufen können.

Elektronische Patientenakte (ePA)

§ 630g BGB setzt voraus, dass die Patientenakte vom Behandelnden geführt und kontrolliert wird, um das Behandlungsgeschehen festzuhalten. Im Gegensatz dazu steht die ePA, die die bisherige arztgeführte Patientenakte ersetzen soll. Unterschied ist also, dass die Patientenakte früher nur vom Behandelnden geführt wurde, wohingegen die ePA (rein) vom Patienten geführt wird. Der Patient hat somit die Hoheit und Kontrolle darüber, welche Daten und Informationen gespeichert und dokumentiert werden sollen. Die ePA ersetzt aber nicht die Behandlungsdokumentation des Arztes.

Obwohl die Krankenkassen die elektronische Patientenakte verwalten, liegt die Datenhoheit beim Patienten selbst. Da der Patient aber in der Regel nicht über das Fachwissen und den Behandlungskontext verfügt, hat er gemäß § 346 Abs. 1 und 3 SGB V Anspruch gegenüber Ärztinnen und Ärzten bei der Befüllung, Aktualisierung und Pflege der ePA.

Der Anspruch auf Befüllung der ePA ist dem Wortlaut des § 346 SGBV nach schrankenlos gewährt. Demgegenüber darf der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakte aber u.a. aus therapeutischen Gründen verweigert werden. Es ist daher fraglich, ob auch der Anspruch auf Befüllung der ePA durch den Behandelnden im Einzelfall verweigert werden darf. Unserer Auffassung nach spricht Vieles dafür, dass auch der Anspruch auf Befüllung der ePA nicht grenzenlos gewährt werden darf. Erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter sind auch beim Befüllen der ePA zu berücksichtigen, da auch in diesem Rahmen der Schutz der Patienten bzw. von Dritten – welches Sinn und Zweck der Vorschrift § 630g BGB ist – zu berücksichtigen sind. Die Befüllung der ePA ist auf solche Informationen beschränkt, die ein Patient auch durch Einsichtnahme in die Patientenakte erlangen könnte. Der Befüllungsanspruch nach § 346 SGB V wird damit von § 630g Abs. 1 S. 1 BGB soweit eingeschränkt, wie erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige Rechte Dritter entgegenstehen.

Im Übrigen erfährt der Befüllungsanspruch bereits nach § 346 Abs. 1 S. 2 SBG V Einschränkungen, da dieser auf die aktuelle Behandlung beschränkt ist. Eine Nacherfassung älterer bzw. fremder papiergebundener Daten ist nicht erforderlich. Die ePA hat keine Gewähr für Vollständigkeit.

Vergütung für die Befüllung der ePA

Die Vergütung für das Befüllen der ePA, die bisher bis zum 31.12.2023 befristet war, wird über diesen Zeitraum hinaus fortgesetzt. Die Gebührenordnungsposition (GOP) 01648 wird weiterhin außerhalb des Budgets vergütet, wodurch für das Befüllen der Patientenakte eine Vergütung in Höhe von 10,23 EUR gewährt wird. Diese Leistung umfasst insbesondere das Hochladen von Befunden, Arztbriefen sowie weiteren relevanten Dokumenten, die für die aktuelle Behandlung von Bedeutung sind. Für zusätzliche Einträge wird nur die reguläre Zusatzpauschale nach GOP 01647 in Höhe von 1,72 EUR vergütet. Diese Regelung bleibt vorläufig bis zum 14.01.2025 in Kraft.

Abschließend lässt sich festhalten, dass das Recht auf Einsicht in die Patientenakte gemäß § 630g Abs. 1 BGB ein zentrales Element des Patientenschutzes darstellt, das das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung konkretisiert. Es gewährleistet, dass Patienten ihre medizinischen Daten einsehen können, wobei dieses Recht durch erhebliche therapeutische Gründe oder die Rechte Dritter begrenzt werden kann. Die Einführung der ePA als Alternative zur arztgeführten Akte bietet Patienten mehr Kontrolle über ihre persönlichen Gesundheitsdaten. Unverändert bleibt aber, dass diese Entwicklung das Kernprinzip des Einsichtsrechts und dessen Einschränkung nicht untergräbt.

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