Homeoffice für Ärzte
Änderungen im Vertragsarztrecht und Berufsrecht
Durch das DigiG wurde § 24 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) um einen Abs. 8 ergänzt, der nun vertragsarztrechtlich die Homeoffice-Möglichkeit eingeführt hat.Es heißt dort: „Die vertragsärztliche Tätigkeit darf in Form von Videosprechstunden außerhalb des Vertragsarztsitzes erbracht werden, sofern der Vertragsarzt seiner Verpflichtung nach § 19a Abs. 1 S. 2 und 3 (Sprechstundenverpflichtung) am Ort des Vertragsarztsitzes nachkommt.“ Vertragsarztrechtlich ist mit der Neuregelung auch für Ärzte Homeoffice möglich.
Vertragsarztrechtlich war bisher eine sogenannte Nebenbetriebsstätte erforderlich. Das wurde nun durch das DigiG geändert, weshalb die Beantragung einer Nebenbetriebstätte bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht mehr erforderlich ist. Neben der Registrierung bei einem zertifizierten Videodienstanbieter bedarf es lediglich einer Anzeige bei der KV. Eine Bestätigung oder Genehmigung der KV hingegen ist nicht erforderlich. Damit soll die Videosprechstunde zukünftig fester Bestandteil der ärztlichen Versorgung werden und stellt eine bereichsspezifische Sonderregelung des Leistungsortes dar.
Berufsrechtlich wurde bereits zuvor die Fernbehandlungsregelung in § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) liberalisiert. Diese Regelung wurde mittlerweile in allen Bundesländern entsprechend in den Berufsordnungen der Ärzte übernommen, z.B. in § 7 Abs. 4 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg (BO LÄK BW). Auf dem 121. Deutschen Ärztetag im Jahr 2018 wurde zunächst klargestellt, dass alle bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin gelten. Insbesondere die berufsrechtlichen Vorschriften zur Niederlassung und Ausübung der Praxis sind auch bei der Erbringung ärztlicher Leistungen im Rahmen von Fernbehandlungen zu beachten.
Gemäß § 17 Abs. 1 MBO-Ä – eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 17 Abs. 1 BO LÄK BW– ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit grundsätzlich an die Niederlassung in einer Praxis gebunden, sodass Videosprechstunden bisher nur in diesen Räumlichkeiten zulässig waren. Jedoch erlaubt das Berufsrecht die ärztliche Tätigkeit über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten, darunter auch das Homeoffice, gemäß § 17 Abs. 2 MBO-Ä bzw. Ausnahmen von der Bindung der ärztlichen Tätigkeit an die Niederlassung nach § 17 Abs. 2 BO LÄK BW. Somit war bereits vor den Änderungen durch das DigiG die Durchführung von Videosprechstunden an anderen Orten als dem Praxissitz berufsrechtlich vertretbar.
Mindestsprechstundenzeiten für Präsenzsprechstunden
Trotz der Möglichkeit, ärztliche Tätigkeiten via Videosprechstunden auch von zu Hause aus zu erbringen, sind Mindestsprechstundenzeiten am Vertragsarztsitz vorgeschrieben. Nach § 19a Abs. 1 Ärzte-ZV müssen Vertragsärzte mindestens 25 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden für gesetzlich Versicherte anbieten. Sofern kein voller Versorgungsauftrag ausgeübt wird, reduziert sich die Sprechstundenzeit anteilig. Ärzte, die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen (§ 73 Abs. 1a S. 1 SGB V) und den Arztgruppen der grundversorgenden und wohnortnahen Patientenversorgung angehören, müssen davon (mindestens) 5 Stunden wöchentlich als offene Sprechstunde ohne vorherige Terminvereinbarung anbieten. Diese Regelungen stellen sicher, dass trotz der erweiterten Möglichkeiten für Homeoffice und Videosprechstunden eine ausreichende Präsenz und Erreichbarkeit der Ärzte gewährleistet ist.Voraussetzungen der Videosprechstunde
Grundsätzlich sind Videosprechstunden bei fast allen Arztgruppen möglich, wenn es ärztlich vertretbar ist, die erforderliche ärztliche Sorgfalt gewahrt und der Patient über Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.Die Qualitätssicherung bei der Durchführung von Videosprechstunden ist in der Anlage 31b BMV-Ä der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) geregelt. Näheres zum technischen Verfahren der Videosprechstunde in der vertragsärztlichen Versorgung wird gemäß § 365 Abs.1 SGB V bestimmt. Im Mittelpunkt der Qualitätssicherung steht die Einhaltung des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht. Die Vereinbarung regelt die Anforderungen an die technischen Voraussetzungen zur Durchführung von Videosprechstunden in der vertragsärztlichen Versorgung.
Die Videosprechstunde muss in geschlossenen Räumen stattfinden, die eine angemessene Privatsphäre gewährleisten und die Datensicherheit sowie einen störungsfreien Ablauf sicherstellen. Zu Beginn der Videosprechstunde müssen alle im Raum anwesenden Personen auf beiden Seiten vorgestellt werden. Weiter ist sicherzustellen, dass die IT-Systeme die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOM) einhalten und die Übertragung der Videosprechstunde durch geeignete TOM angemessen geschützt wird. Zudem werden besondere Anforderungen an den Videodienstanbieter nach § 5 BMV-Ä gestellt. Weiter muss auch die Einholung der Einwilligung in die Datenverarbeitung sowie die Information des Patienten über Anforderungen an die Teilnehmer berücksichtigt werden.
Zusammengefasst benötigen Ärzte daher:
- Internetanbindung mit den für Praxen empfohlenen Firewall-Einstellungen
- Bildschirm (Monitor/Display), Kamera, Mikrofon, Lautsprecher
- Einwilligung des Patienten
Aktuelle Modelle zeigen, dass insbesondere Haus-, Augen- und Hautärzte, aber auch Kinderärzte von dieser Entwicklung profitieren können. Durch die Möglichkeit des Homeoffice können Videosprechstunden effektiver eingesetzt werden. Davon profitieren auch größere Einheiten, wie medizinische Versorgungszentren (MVZ), erheblich.
Regelungen für Zahnärzte und Psychotherapeuten
Seit dem 1. Juli 2020 sind Videosprechstunden und Videofallkonferenzen auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung über festgelegte Standards möglich. Videosprechstunden und Videofallkonferenzen sind allerdings nur für Versicherte vorgesehen, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind, Eingliederungshilfe erhalten und die Zahnarztpraxis wegen ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können, sowie für Versicherte, an denen zahnärztliche Leistungen im Rahmen eines Kooperationsvertrages gemäß § 119b Absatz 1 SGB V erbracht werden (vgl. §§ 87 Abs. 2k, 87 Abs. 2i SGB V). Bei der Durchführung der Videosprechstunde bzw. Videofallkonferenz sind die Vorgaben der Vereinbarung über die Anforderungen an technische Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 291g Abs. 5 SGB V (Anlage 16 BMV-Z) zu beachten.Für Psychotherapeuten gilt bisher, dass der ärztliche Erstkontakt per Videosprechstunde nur eingeschränkt zulässig ist. Bei psychotherapeutischen Behandlungen müssen bislang Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung im unmittelbaren persönlichen Kontakt stattfinden (§ 17 Abs. 2 Psychotherapie-Vereinbarung, Anlage 1 BMV-Ä). Änderungen sind allerdings vorgesehen: Nach § 87 Abs. 2p SGB V sollen die Partner der Bundesmantelverträge bis zum 31. Dezember 2024 die erforderlichen Vorgaben für die Erbringung psychotherapeutischer Sprechstunden und probatorischer Sitzungen im Rahmen einer Videosprechstunde vereinbaren.
Vergütung
Mit dem DigiG soll durch den Bewertungsausschuss die mengenmäßige Begrenzung der telemedizinisch erbrachten Leistungen im Sinne einer besseren Vergütung der Videosprechstunde aufgehoben werden. Bisher lag die Mengenbegrenzung bei 30 %. Die Vergütung der Videosprechstunde soll auch nicht mehr nach festen Beträgen, sondern behandlungsorientiert erfolgen. Der Bewertungsausschuss soll festlegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden können. Die Festlegungen sollen die Erbringung von Videosprechstunden in einem weiten Umfang ermöglichen. In den Beschlüssen können zudem Qualitätszuschläge erhoben werden. Lediglich die Begrenzung durch das Praxis-Regelleistungsvolumen ist zu berücksichtigen, da keine unendliche Ausdehnung der Fallgrenzen durch Telemedizin gelten soll.Die rechtlichen Anpassungen im Berufs- und Vertragsarztrecht schaffen die Grundlage dafür, dass Ärzte ihre Tätigkeiten nun jedenfalls teilweise auch im Homeoffice ausüben können. Zwar bleibt die Sprechstundenverpflichtung am Vertragsarztsitz bestehen, um eine kontinuierliche und qualitätsgesicherte Patientenversorgung sicherzustellen. Darüber hinaus wird aber eine deutlich flexiblere Arbeitsgestaltung ermöglicht. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben wird allerdings auch künftig zu beachten sein. Videosprechstunden am Strand sind also weiterhin nicht möglich.
Stand: 05.08.2024