Restriktionen für Pauschalhonorare bei ärztlichen Leistungen
Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung
Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Vereinbarung eines Pauschalhonorars zwischen einer Universitätsklinik und einem Patienten für eine Cyberknife-Behandlung, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht von allen Krankenkassen erstattet wurde. Der BGH hat entschieden, dass es nicht entscheidend ist, ob der Patient den Behandlungsvertag mit dem behandelnden Arzt abschließt oder mit einer juristischen Person – wie z.B. hier der Klinik. Der BGH weicht damit deutlich von der bisher als gefestigt geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) ab und verpflichtet juristische Personen die von bei ihr angestellten Ärzten erbrachten ambulanten Leistungen gegenüber Selbstzahlern nach der GOÄ abzurechnen.
Ein kurzer Blick zurück: Das BSG hatte mit seinem Urteil vom 11. September 2012, Az. B1 KR 3/12 erstmals entschieden, dass Privatkliniken – als juristische Personen – nicht an die GOÄ gebunden sind.
Der BSG hatte im Rahmen seiner Entscheidung eng am Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ argumentiert.
§ 1 Abs. 1 GOÄ regelt den Anwendungsbereich der Bundesverordnung und lautet wie folgt: „Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.“
Das BSG legte den Wortlauts der Vorschrift so aus, dass Adressat der GOÄ ausschließlich Ärzte als Vertragspartner sein können. Als Folge galt nach Auffassung des BSG die GOÄ nicht, wenn der Patient den Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person – z.B. dem Träger des Krankenhauses – geschlossen hat. Auf diese Rechtsprechung haben viele nachfolgende Gerichtsentscheidungen Bezug genommen. Das BSG hat selbst nochmal mit Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 sowie das Landgericht Duisburg mit Urteil vom 24.11.2022, Az.: 12 O 190/21 und Oberlandesgericht Frankfurt mit Beschluss vom 21.09.2023, Az.: 6 W 69/23 und Urteil vom 09.11.2023, Az.: 6 U 82/23 das Urteil des BSG aus dem Jahr 2012 bestätigt.
Mit der neuen Entscheidung des BGH erfolgt nun eine Abkehr hiervon und damit eine zwingende Bindung der GOÄ als Preisrecht der Ärzte für berufliche Leistungen der Ärzte. Hintergrund ist die weite Auslegung des § 1 Abs. 1 GOÄ durch den BGH und die Argumentation nach Sinn und Zweck der GOÄ. Dieser wird einerseits im Schutz der zahlungspflichtigen Patienten oder Kostenträger vor übermäßiger finanzieller Belastung gesehen. Weiter dient die GOÄ einem angemessenen Interessenausgleich zwischen denjenigen, die die Leistungen erbringen und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet sind.
Dem Urteil des BGH liegt ein Sachverhalt zugrunde, der sich im ambulanten Bereich abspielt, sodass die Entscheidung nicht ohne Weiteres auf stationäre Leistungen übertragen werden kann. Daher bleibt weiterhin die Frage offen, ob die GOÄ auch für Leistungen, die im stationären Bereich erbracht werden, Anwendung findet. Hier spricht aus unserer Sicht vieles dagegen, da für diesen Bereich andere Bundesgesetze (z.B. KHG und KHEntgG) Regelungen treffen.
Telemedizinische Leistungen zu einem Pauschalpreis?
Auch telemedizinisch erbrachte Leistungen sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Das hat erst kürzlich das Landgericht Düsseldorf (Az.: 38 O 174/23) entschieden und Pauschalhonorare für Fernbehandlungen abgelehnt. Die dermatologische Fernbehandlung und die in diesem Zusammenhang geleistete ärztliche Leistung unterliegt nach der Auffassung des Landgerichts Düsseldorf der GOÄ, die gerade keine Pauschalen vorsieht.Der Entscheidung liegt eine Fernbehandlung via App zu Grunde, die vor Jahren von mehreren Hautärzten entwickelt wurde und über die dermatologische Leistungen zu einem Pauschalpreis angeboten werden. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Düsseldorf auch die unerlaubte Zuweisung von Leistungserbringer aufgrund des Einsetzens von Partner-Online-Apotheken gerügt. Die konkrete Benennung von zwei Apotheken als "Partner" stellte dabei eine deutliche Empfehlung bzw. Zuweisung dar und widerspricht damit dem ärztlichen Berufsrecht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, geht aber in dieselbe Richtung wie der BGH in seinem jüngsten Urteil, wonach die GOÄ als bindendes Preisrecht der Ärzte für alle ärztlichen Leistungen gilt. Diese aktuelle Entwicklung muss daher auch bei telemedizinischen Geschäftsmodellen Berücksichtigung finden.
Das jüngste Urteil des BGH und des Landgerichts Düsseldorf markieren eine signifikante Wende in der Rechtsprechung zur GOÄ. Mit der klaren Feststellung, dass die GOÄ für alle (zumindest ambulanten) ärztlichen Leistungen, die gegenüber Patienten in Rechnung gestellt werden, bindend ist.
Die bisherige Rechtsprechung wurde insofern deutlich geändert, als dass die GOÄ auch dann gilt, wenn der Vertragspartner eine juristische Person ist. Hierdurch erfolgt auch eine Anpassung an die zunehmende Verbreitung von juristischen Personen bei der ärztlichen Leistungserbringung, z.B. durch die zunehmende Verbreitung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Ärztegesellschaften. Der BGH hat unmissverständlich klargestellt, dass der Schutz der Patienten und Kostenträger vor übermäßigen finanziellen Belastungen Vorrang hat.
Stand: 28.06.2024