Finale Fassung der europäischen Lieferkettenrichtlinie: Verschärfung des deutschen Lieferkettengesetzes oder Verbesserung für KMU?

Der letzte Schritt des Gesetzgebungsverfahrens für eine europaweit harmonisierte Lieferketten Compliance ist abgeschlossen. Das Vorhaben war umstritten und drohte bis zuletzt zu scheitern. In der nun finalen Fassung haben sich noch wesentliche Änderungen ergeben. Zunächst erfolgt die Verkündung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)) sowie im Anschluss eine zweijährige Phase der Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber. Hierdurch werden sich Änderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ergeben. VOELKER gibt einen Überblick:

Adressaten der europäischen Lieferkettenrichtlinie

Die europäische Lieferkettenrichtlinie sieht zunächst einen abweichenden Adressatenkreis als das deutsche Lieferkettengesetz vor. Der unmittelbare Geltungsbereich wurde in den letzten Zügen des Verhandlungsprozesses noch einmal verkleinert.

Er soll nun nach einem gestaffelten Zeitraum erweitert werden:

Drei Jahre nach Inkrafttreten (voraussichtlich 2027):
Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten
und einem Umsatz von 1500 Millionen EUR

Vier Jahre nach Inkrafttreten (voraussichtlich 2028):
Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten
und einem Umsatz von 900 Millionen EUR

Fünf Jahre nach Inkrafttreten (voraussichtlich 2029):
Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten
und einem Umsatz von 450 Millionen EUR

Der Adressatenkreis unmittelbarer Pflichten ist damit europaweit zunächst enger gefasst als die aktuelle deutsche Gesetzeslage. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sieht in Deutschland derzeit bekanntermaßen bereits Pflichten für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern vor.

Anwendungsbereich und Auswirkung auf deutsche Unternehmen

Inwieweit dadurch in Deutschland Unternehmen bereits früher als die europäische Konkurrenz von Pflichten erfasst sind, wird von der konkreten deutschen Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie und den Änderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes abhängen und ist aktuell noch nicht abzusehen. Denkbar ist sowohl eine solche „überschießende“ Umsetzung als auch eine Anpassung an die europaweite Staffelung.

Ungeachtet dessen ist dringend dazu zu raten, die gesetzgeberischen Entwicklungen im Blick zu behalten. Denn Handlungsbedarf wird sich voraussichtlich nicht erst dann ergeben, wenn unmittelbare Pflichten für das eigene Unternehmen bestehen. Vielmehr dürfte ein Anpassungsdruck innerhalb der Lieferkette sowie mittelbare Pflichten bereits wesentlich früher auch für kleinere Unternehmen eintreten.

Wichtigste Veränderungen im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz

Dies folgt daraus, dass die europäischen Lieferkettenrichtlinie nicht mehr lediglich Sorgfaltspflichten der Unternehmen für unmittelbare und mittelbare Zulieferer (sprich: in der vorgelagerten Lieferkette) vorsieht. Der Pflichtenkreis erweitert sich stattdessen auf die sog. Wertschöpfungskette; also auf vor- und nachgelagerte Geschäftsbeziehungen. Indirekt werden dadurch wesentlich mehr Unternehmen als bislang von Auswirkungen der Lieferketten-Compliance betroffen sein.

Große Unternehmen werden diesen Anpassungsdruck voraussichtlich nachdrücklicher versuchen weiterzugeben. Denn die zukünftige Gesetzeslage sieht eine unmittelbare zivilrechtliche Haftung der Adressaten der europäische Lieferkettenrichtlinie vor. Geschädigte können Unternehmen, die der Richtlinie unterfallen, demnach direkt verklagen. Denkbar wäre dadurch, dass große schadensersatzpflichtige Unternehmen bei den eigentlichen Verursachern hierfür Regress nehmen, auch wenn es sich dabei um kleine Unternehmen handelt. Bislang existierten nach der deutsche Gesetzeslage lediglich Sanktionen durch die Aufsichtsbehörden, die zukünftig parallel eintreten können und Bußgelder bis zu 5 % des Nettoumsatzes umfassen.

Verbesserung oder Verschärfung für deutsche Unternehmen?

Trotz diese Veränderungen könnte sich die zukünftige Gesetzeslage für einige Unternehmen besser gestalten, als es aktuell nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes der Fall ist. Denn die europäische Lieferkettenrichtlinie sieht einige Erleichterungen vor, die sich insbesondere für KMU vorteilhaft auswirken können. Für große Unternehmen ist gesetzlich ausdrücklich eine Pflicht zur Unterstützung und Befähigung kleinerer Partner in der Wertschöpfungskette vorgesehen. Insbesondere ist es untersagt, kleineren Partnern einseitig sämtliche Pflichten aufzuerlegen. Vertraglichen Regelungen müssen "fair, angemessen und diskriminierungsfrei" sein.

Nicht zuletzt sieht die europäische Lieferkettenrichtlinie dabei vor, dass zwischen den Geschäftspartner Mustervertragsklauseln vereinbart werden können. Derzeit besteht eher ein Flickenteppich einzelner Vereinbarungen, die regelmäßig von großen Unternehmen ohne Verhandlungsspielraum vorgegeben werden. Bislang veröffentlichte Entwürfe für Mustervertragsklauseln sehen ein Prinzip der „geteilten Verantwortlichkeit“ vor. Sprich: Pflichten und Verantwortung lasten nicht alleine auf den Schultern des kleineres Partners. Durch solche Mustervertragsklauseln könnte sich das Handling der Lieferketten-Compliance erheblich vereinfachen.

Daneben erfolgte die Weitergabe von Pflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bislang vor allem an unmittelbare Zulieferer. Zukünftig soll jedoch nicht mehr die „Nähe“ innerhalb der Lieferkette einzig maßgeblich, sondern die tatsächliche Risikoneigung des jeweiligen Vertragspartners entscheidend sein.

Fazit und Ausblick:

  • Der europäische Gesetzgeber hat die finale Fassung einer europäischen Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)) beschlossen.
  • Für KMU können sich durch die neue europäische Lieferkettenrichtlinie gegebenenfalls wesentliche Verbesserungen im Vergleich zum derzeit geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ergeben.
  • Entscheidend dabei ist, wie Deutschland die Richtlinie konkret ins nationale Recht überführen wird. Für die nationale Umsetzung bleiben zwei Jahre Zeit.
  • - Unternehmen sollten diese Entwicklungen auch dann beobachten, wenn sie nicht unmittelbarer Adressat der Richtlinie sind. Weiterhin drohen Anpassungsdruck und mittelbare Pflichten, die antizipiert werden müssen.

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