Entwurf einer neuen EU-Maschinenverordnung erreicht wichtigen Zwischenschritt

Im März 2022 hat das europäische Gesetzgebungsverfahren zur Überarbeitung der sog. „Maschinenrichtlinie“ (Richtlinie 2006/42/EG) einen weiteren wichtigen Zwischenschritt erreicht. Das Gesetzgebungsverfahren tritt nun in die entscheidende Phase ein, in der letzte Abstimmungen und Verhandlungen erfolgen, die unmittelbar in der Annahme eines Gesetzesentwurfs durch das europäische Parlament münden sollen. Für den Maschinensektor bedeutet dies Veränderungen in einem regulatorischen Bereich, dessen Relevanz nicht unterschätzt werden darf. Diese finale gesetzgeberische Phase möchten wir nutzen um einen Überblick über den bisher bekannten Stand des Entwurf einer EU-Maschinenverordnung zu verschaffen.



Zukünftig Verordnung statt Richtlinie:

Die Kommission beabsichtigte durch die Überarbeitung verschiedene Lücken der Maschinenrichtlinie zu schließen und zugleich die zukünftige neue Maschinenverordnung im Sinne des selbst auferlegten Ziels „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ auszugestalten.

Die offensichtlichste Änderung ist zunächst begrifflich etwas verwirrend. Aus der EU-Richtlinie wird eine EU-Verordnung. Der interessierte Anwender weiß möglicherweise bereits: Eine EU-Verordnung entfaltet unmittelbare Wirkung, während die Richtlinie eines nationalen Umsetzungsaktes bedarf. Der EU-Gesetzgeber zieht hier also eine Kompetenz näher an sich, für die er den Gesetzgebern der Mitgliedsstaaten bisher Entscheidungs- und Ermessenspielräume gelassen hat.

Zugleich erklärt sich durch den Wechsel des gesetzgeberischen Rechtsakts die eventuell vorhandene Begriffsverwirrung. Denn umgangssprachlich existiert bereits im deutschen Recht eine „Maschinenverordnung“, konkreter: die sogenannte „Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV)“. Sie bildet den Umsetzungsrechtsakt für die bisherige Maschinenrichtlinie (Richtlinie 2006/42/EG) und wird zukünftig vermutlich weitestgehend verdrängt, wenn die EU-Maschinenverordnung unmittelbare Wirkung entfaltet.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Bisher bestand lediglich ein Entwurf der EU-Kommission. Hierzu hatten EU-Bürger, Interessenverbände und Behörden bis zum 16. August 2021 die Möglichkeit Stellung zu nehmen. Nun haben vorbereitende Dienststellen und der Rat der Europäischen Union („EU-Ministerrat“) weitere Verhandlungen über den Entwurf auf Basis der Stellungnahmen vorgenommen. Diese führten zu verschiedenen im Einzelnen nicht detailliert bekannten Änderungsvorschlägen, über die nun abgestimmt werden soll, bevor der Entwurf dem europäischen Parlament zur Entscheidung vorgelegt wird. Der Entwurf befindet sich also noch in einer Phase, in der sich durchaus weitere erhebliche Änderungen ergeben können.

Einzelziele der Überarbeitung

Die EU-Kommission hat mit dem ersten Entwurfsvorschlag jedoch bereits umfassend die Ziele dargelegt, die sie zu erreichen gedenkt. Ganz unabhängig davon, ob sich der Wortlaut oder Einzelregelungen noch ändern werden, lassen diese Zielsetzungen einen Schluss zu, wohin der Weg führen soll. Dabei hat die Kommission die folgenden Ziele ausgegeben:
  • Berücksichtigung neuer Risiken im Zusammenhang mit digitalen Technologien
  • Gleiche Auslegung der Regelungen in allen Mitgliedstaaten
  • Neubewertung von Hochrisiko-Maschinen und den zugehörigen Konformitätsverfahren
  • Verringerung der papierbasierten Dokumentationsanforderungen
  • Gewährleistung der Kohärenz mit anderen Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit
  • Vermeidung von Divergenzen bei der Auslegung aufgrund der Umsetzung in einzelstaatliches Recht

Maßnahmen zur Zielerreichung

Zur Erreichung dieser Ziele sieht die EU-Kommission – neben der unmittelbar verbindlichen Wirkung als Verordnung – bisher insbesondere folgende Einzelmaßnahmen vor:
  • Das Fehlen von Software soll zukünftig nicht dazu führen, dass Maschinen als „unvollständige Maschinen“ einzustufen sind. Insgesamt sollen die zugehörigen Definitionen angepasst werden.
  • Nicht-physische Komponenten wie Software können nach der zukünftigen Definition „Sicherheitskomponenten“ darstellen, ebenso wird die Definition der „wesentlichen Modifikation“ angepasst.
  • Straßenbeförderungsmittel und deren Zubehör, also insbesondere E-Bikes und Pedelecs, sollen ausdrücklich nicht mehr unter die Maschinenverordnung fallen. In der Vergangenheit bestand diesbezüglich im Einzelfall Unklarheit, teils fand die Maschinenrichtlinie unbeabsichtigt Anwendung.
  • Es findet eine Anpassung der gelisteten Hochrisiko-Maschinen statt, die insbesondere um Maschinen erweitert wird, in denen im weitesten Sinne „künstliche Intelligenz“ Sicherheitsfunktionen wahrnimmt. Hier bestehen Überschneidungen mit der zukünftigen KI-Verordnung der EU.
  • Pflichten für Hersteller, Einführer und Händler werden an den New Legislative Framework-Beschluss Nr. 768/2008/EG angeglichen, der einen gemeinsamen Rechtsrahmen mit anderen europäischen Normen schafft.
  • Es finden Anpassungen im Bereich der Konformitätsvermutung und Konformitätsbewertung (dort insbesondere im Bereich Hochrisiko-Maschinen) statt. Hieraus können sich Folgen für die Zertifizierungsverfahren ergeben.
  • Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen werden für traditionelle Maschinen angepasst und für die Bereiche Cybersicherheit, KI-Sicherheit und Mensch-Maschine-Interaktion neu hinzugefügt.

Fazit & Handlungsempfehlung

Die finale Phase der Überarbeitung der bisher maßgeblichen Maschinenrichtlinie rückt näher. Dabei können für betroffene Unternehmen einerseits Erleichterungen, andererseits im Einzelfall aber auch neue oder zusätzliche Pflichten entstehen. Insbesondere die gleiche Auslegung der Regelungen in allen Mitgliedsstaaten ist ein lange verfolgtes Begehren der Interessenverbände, da eine erhebliche Zersplitterung der nationalen Regelungen stattgefunden hat. Es ist zu begrüßen, dass die EU endlich den bestehenden Regelungsbedarf in Bereichen der Digitalisierung angehen möchte. Mit dem weltweit wohl einzigartigen, parallelen Entwurf einer KI-Verordnung bietet sich hier die Chance eines konsistenten Regelungsrahmens mit der neuen EU-Maschinenverordnung. Der Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sollte daher entsprechend aufmerksam verfolgt werden. Bereits die Verhandlungen im Rat machen deutlich, dass sich durchaus noch erhebliche Änderungen ergeben könnten. Hinsichtlich der eigenen Prozessabläufe kann bereits überdacht werden, inwieweit inzwischen Software eine erhebliche Rolle bei den eigenen Produkten innehat und ob hier möglicherweise eine Ausweitung der Pflichten oder eine Neubewertung erfolgen muss.

Über die Entwicklung werden wir Sie an dieser Stelle informiert halten und stehen darüber hinaus gerne unterstützend zur Verfügung.

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