Neue BGB-Regelungen zu hybriden bzw. rein virtuellen Versammlungen und Sitzungen

bei Vereinen und Stiftungen „im Wege der elektronischen Kommunikation“

Es tut sich also doch noch, zumindest ein wenig, etwas zu nun auch dauerhaft geltenden gesetzlichen Regelungen für digital bzw. elektronisch durchgeführte Sitzungen und Versammlungen bei Vereinen und Stiftungen. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist mit den in § 32 Abs. 2 BGB n. F. enthaltenen Regelungen hierzu ergänzt worden, die am 21.03.2023 in Kraft getreten sind. Diese sollen ermöglichen, dass Versammlungen und Sitzungen „im Wege der elektronischen Kommunikation“ auch ohne entsprechende Satzungsregelungen durchgeführt werden können, soweit die Satzung nichts Abweichendes hierzu vorsieht.

Aber was wurde mit diesem neuen Gesetz geregelt? Und was gerade nicht?

Sind auch weiterhin Satzungsregelungen hierzu sinnvoll oder werden solche gar dennoch benötigt? In welchen Fällen?

Hintergrund und Gesetzeshistorie

Schon während der Corona-Pandemie hat der Bundesgesetzgeber gesetzliche Spezialregelungen geschaffen, um Vereinen und Stiftungen, die bis dato keine Satzungsregelungen für Versammlungen und Sitzungen „im Wege der elektronischen Kommunikation“ hatten, zumindest in dieser Zeit mit einer Rechtsgrundlage auszuhelfen, damit Versammlungen und andere Gremien ganz oder teilweise auch in digitalem bzw. elektronischem Modus wirksam stattfinden und wirksame Beschlüsse fassen konnten. Denn ohne eine gesetzliche Grundlage hierfür, die bis dahin nicht existierte, waren bzw. sind als Wirksamkeitsvoraussetzung entsprechende Satzungsgrundlagen oder die Zustimmung aller (Vereins- bzw. Organ-) Mitglieder notwendig. Bereits damals wurde diskutiert, hierzu im BGB dauerhafte gesetzliche Regelungen aufzunehmen. Die angesprochenen Corona-Regelungen, die befristet erlassen wurden und dann nach mehrfacher Verlängerung zum 01.09.2022 endgültig außer Kraft getreten sind, hatten zunächst jedoch keine rechtzeitige gesetzliche Nachfolgeregelung erhalten. Daher ergab sich eine Zeitspanne, in der zumindest zunächst keine gesetzliche Grundlage hierfür gegeben war.

Am 09.02.2023 hat der Deutsche Bundestag nunmehr mit dem „Gesetz zur Ermöglichung hybrider und virtueller Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ vom 14.03.2023 (endlich) eine neue Fassung des § 32 Abs. 2 BGB verabschiedet. Die schließlich als Gesetz verabschiedete Entwurfsfassung wurde am Vortag mit der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 08.02.2023 (BT-Drs. 20/5585) fertiggestellt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 03.03.2023 beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen, ließ diese Ergänzung des BGB also ebenfalls passieren. Das Gesetz wurde daraufhin am 20.03.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2023 I Nr. 72 vom 20.03.2023) und ist am 21.03.2023 in Kraft getreten.

Welche Regelungen enthält § 32 Abs. 2 BGB n. F.?

Das BGB enthält mit seinem neuen § 32 Abs. 2 die nachfolgenden Regelungen – dort ausdrücklich geregelt für Mitgliederversammlungen von Vereinen –, die nun dauerhaft hybride und auch rein virtuelle Versammlungen ohne eine entsprechende Satzungsgrundlage ermöglichen sollen:

„Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“

Gilt das auch für (Vorstands-) Sitzungen? Werden diese Optionen auch für Organe von Stiftungen zugelassen?

Über die Verweisung des § 28 BGB gilt auch für Vorstandssitzungen bei Vereinen das gleiche wie für deren Mitgliederversammlungen. Somit sind auf Vorstandssitzungen ebenfalls die neuen Regelungen des § 32 Abs. 2 BGB n. F. anzuwenden.

Beim Stiftungsvorstand wiederum ergibt sich die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 2 BGB n. F. aus der Verweisung der §§ 86, 28 BGB. Ab dem Inkrafttreten der Stiftungs(zivil)rechtsreform zum 01.07.2023 wird diese, dann ausdrücklich für alle Stiftungsorgane, aus § 84b S. 1 BGB n. F. folgen.

Welche Modi für Versammlungen und Sitzungen sind nach § 32 Abs. 2 BGB n. F. neben der Präsenzform auch ohne Satzungsregelung möglich?

Nach diesen neuen gesetzlichen Regelungen kann das Organ, das zur Einberufung von (Mitglieder-) Versammlungen bzw. von (Vorstands- oder sonstigen Organ-) Sitzungen zuständig ist, ohne Weiteres auswählen, ob es zu einer Versammlung bzw. Sitzung in Präsenz oder in hybrider Form einlädt. Im Falle einer Ermächtigung nach § 37 Abs. 2 BGB zur Einberufung einer Vereins-Mitgliederversammlung gilt dies auch für die hierzu gerichtlich ermächtigte Person. Wird eine Mitgliederversammlung oder eine Sitzung eines Vereins- oder Stiftungsorgans in hybrider Form einberufen und durchgeführt, haben die Vereins- bzw. Organmitglieder die (eigene) Wahl, ob sie daran vor Ort in Präsenz teilnehmen oder „im Wege der elektronischen Kommunikation“.

Soll auf Grundlage der neuen Gesetzesregelung, und ohne entsprechende Satzungsregelung bzw. einstimmigem Beschluss der jeweiligen Mitglieder, vom Einberufungszuständigen künftig ausschließlich oder als Option der rein virtuelle Modus, also „ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation“, gewählt werden können, ist zuvor ein entsprechender Beschluss notwendig. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass dann keine Möglichkeit besteht, alternativ zum rein virtuellen Modus auch in Präsenz teilzunehmen und (Mitglieder-) Rechte auszuüben, sondern nur auf dem elektronischen Weg, der bei der Einberufung genannt ist. Bezogen auf die Vereinsmitgliederversammlung können die Mitglieder des betreffenden Vereins beschießen, dass eine rein virtuelle Versammlung durchgeführt werden soll. Für andere Vereins- oder Stiftungsorgane sind hierzu wiederum deren Mitglieder zuständig. Vorteilhaft nach dieser neuen gesetzlichen Regelung ist, dass dazu keine Satzungsänderung herbeigeführt werden muss, die einen gewissen Aufwand hat. Es genügt vielmehr auf Grundlage dieser neuen Gesetzesregelung ein einfacher Beschluss. Wie alle Beschlüsse muss dieser dokumentiert werden. Der Beschluss kann einzelne oder alle künftige Versammlungen bzw. Sitzungen umfassen und zudem auch, durch einen weiteren solchen Beschluss, für die Zukunft wieder zurückgenommen werden (vgl. BT-Drs. 20/5585, S. 11).

Sowohl bei hybrider wie bei rein virtueller Durchführung einer Versammlung oder (Vorstands-) Sitzung muss bei deren Einberufung angegeben sein, „durch welche konkreten Mittel der elektronischen Kommunikation(BT-Drs. 20/5585, S. 11) elektronisch teilgenommen sowie (Mitglieder- bzw. Organ-) Rechte wahrgenommen werden können. Dies erfordert die Angabe in der Einberufung, welcher konkrete Weg der elektronischen Kommunikation – siehe dazu sogleich – vorgesehen ist. Damit soll den Eingeladenen ermöglicht werden „rechtzeitig vor[her] […] zu überprüfen, ob […] die technischen Voraussetzungen für die Nutzung der in der Einladung […] benannten elektronischen Kommunikationsmittel [vorhanden sind] oder noch weitere Vorkehrungen“ getroffen werden müssen (vgl. BT-Drs. 20/5585, S. 11).

Welche konkreten Optionen zur Durchführung hybrider bzw. reinvirtueller Formate sind von der Formulierung „im Wege der elektronischen Kommunikation“ umfasst?

Diese Formulierung wurde vom Gesetzgeber ganz bewusst weit gewählt. Sie wurde im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens darauf ausgeweitet, nachdem sie in früheren Entwürfen letztlich allein auf die Videokonferenz eingeengt war. Der Gesetzgeber wollte dies als „im Wege jedweder geeigneter elektronischer Kommunikation“ (BT-Drs. 20/5585, S. 2, 10 und 11) verstanden wissen. Gemeint sind damit neben Videokonferenz insbesondere Telefonkonferenz, Chat oder Abstimmung per E-Mail (so ausdrücklich in BT-Drs. 20/5585, S. 10 und 11).

Kann die Möglichkeit digitaler Versammlungen und Sitzungen auch ganz oder teilweise ausgeschlossen bzw. modifiziert werden?

Das ist durchaus möglich, denn das Gesetz muss hierzu nicht zwingend 1:1 übernommen werden. Für Mitgliederversammlungen bei Vereinen und deren Vorstandssitzungen ergibt sich dies aus § 40 BGB. Für Stiftungsorgane sieht dies der ab 01.07.2023 geltende § 84b S. 1 BGB n. F. ebenfalls ausdrücklich vor.

Voraussetzung für einen teilweise oder vollständigen Ausschluss der von § 32 Abs. 2 BGB n. F. geschaffenen Möglichkeitenoder deren Modifikation – ist aber jeweils eine entsprechende Satzungsregelung, die ggfs. erst noch durch eine dahingehende Satzungsänderung aufgenommen oder angepasst werden müsste. Wie alle Satzungsänderungen werden auch diese erst – soweit im Einzelfall nicht noch weitere Voraussetzungen vorgesehen sind – bei eingetragenen Vereinen mit deren Eintragung in das Vereinsregister, bei rechtsfähigen Stiftungen mit deren Genehmigung durch die zuständige Stiftungsbehörde, wirksam.

Was ist mit § 32 Abs. 2 BGB n. F. (weiterhin) nicht gesetzlich geregelt worden? Welche Rechtsfolgen bzw. rechtlichen Notwendigkeiten könnten sich daher jeweils ergeben?

Im Wesentlichen dürfte es sich um diese beiden Gesichtspunkte handeln:
  1. Die Erleichterungen für Umlaufbeschlüsse außerhalb von (Mitglieder-) Versammlungen und (Vorstands- bzw. sonstige Organ-) Sitzungen, die in den coronabedingten Sonderregelungen enthalten waren, seit 01.09.2022 aber wieder außer Kraft getreten sind, wurden von dieser neuen Gesetzesregelung nicht erneut gesetzlich verankert. Es gilt also mit § 32 Abs. 3 BGB n. F. – dem bisherigen § 32 Abs. 2 BGB – weiterhin bzw. bereits seit 01.09.2022, dass Umlaufbeschlüsse außerhalb von Versammlungen und (Vorstands-) Sitzungen nur schriftlich und zudem nur dann wirksam sind, wenn alle (Vereins- bzw. Organ-) Mitglieder dem Antrag zustimmen. Ist etwas anderes dazu gewünscht, kann dies durch die Satzung abweichend ermöglicht werden. Ggfs. wird auch hierzu eine Satzungsänderung notwendig. Im Wesentlichen wird hierzu wohl etwa alternativ dazu geregelt werden sollen, dass die Möglichkeit des Umlaufbeschlusses ebenfalls in elektronischer Form besteht und/oder nicht alle Mitglieder, sondern lediglich eine (ggfs. qualifizierte) Mehrheit dem Antrag inhaltlich zustimmen muss.
  2. Zudem ermöglicht das Gesetz die Optionen des § 32 Abs. 2 BGB n. F. erst ab seinem Inkrafttreten am 21.03.2023. Dies folgt daraus, dass keine Rückwirkung des Inkrafttretens in diesem Gesetz geregelt wurde. Versammlungen bzw. Sitzungen und deren Beschlüsse, die seit 01.09.2022 ohne entsprechende Satzungsregelung (oder ohne einstimmige Zustimmung der jeweiligen Mitglieder zum im Einzelfall gewählten Modus) in hybrider oder rein virtueller Form durchgeführt bzw. gefasst wurden, sind und bleiben daher unwirksam. Diese müssen bzw. können ggfs. wiederholt werden, allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft. Dazu kann nunmehr auch eine Beschlussfassung in hybrider oder in rein virtueller Form auf Grundlage des § 32 Abs. 2 BGB n. F. erfolgen.

Werden mit diesen gesetzlichen Regelungen nun also keine Satzungsregelungen mehr hierzu benötigt?

Möchte ein Verein oder eine Stiftung die Möglichkeiten dieses neuen Gesetzes ganz oder teilweise ausschließen, ist dafür eine entsprechende Satzungsregelung notwendig. Dazu bedarf es, da in der Regel hierzu noch keine Bestimmungen in einer bestehenden Vereins- oder Stiftungssatzung enthalten sein dürften, eines Satzungsänderungsverfahrens.

Darüber hinaus kann es aber auch dann, wenn man als Verein oder Stiftung neben Präsenz- auch digitale bzw. elektronische Formate zulassen und nutzen möchte, sinnvoll sein, trotz der neuen gesetzlichen Regelungen des § 32 Abs. 2 BGB n. F. eigene Satzungsbestimmungen zu schaffen. Auf diese Weise wird zugleich die eigene Satzungsautonomie tatsächlich wahrgenommen. Zudem können gerade dadurch für die eigene Organisation bestmöglich passende, klare Regelungen geschaffen werden, die dem Gesetz vorgehen. Nicht zuletzt kann dadurch auch den eben beschriebenen, weiterhin bestehenden Defiziten zu Erleichterungen für Umlaufbeschlüsse begegnet werden, denen auch die Neufassung des § 32 Abs. 2 BGB nicht abhilft und für die auch weiterhin eigene Satzungsregelungen notwendig sind.

Aus diesen Gründen sollten jedenfalls dann, wenn bei Vereinen wie bei Stiftungen ohnehin Satzungsänderungen oder gar Neufassungen von Satzungen anstehen, auch digitale bzw. elektronische Formate bei Sitzungen und Versammlungen sowie erleichterte Regelungen für Umlaufbeschlüsse bedacht und sodann ggfs. eigens in der Satzung geregelt werden. Bei Neugründungen können und sollten diese Aspekte ebenfalls bereits bei der Ausarbeitung der Gründungssatzung, also von Anfang an, bedacht werden.

VOELKER & Partner
Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater mbB

info@voelker-gruppe.com
www.voelker-gruppe.com

 voelker-partner-mbb

Standort Reutlingen
Am Echazufer 24, Dominohaus
D-72764 Reutlingen
T +49 7121 9202-0
F +49 7121 9202-19
reutlingen@voelker-gruppe.com
Standort Stuttgart
Löffelstraße 46
D-70597 Stuttgart
T +49 711 2207098-0
F +49 711 2207098-35
stuttgart@voelker-gruppe.com
Standort Balingen
Hauptwasen 3
D-72336 Balingen
T +49 7433 26026-0
F +49 7433 26026-20
balingen@voelker-gruppe.com